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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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konnte sehen, wie verunsichert sie war. Ihre Stimme, ihr Benehmen, die Art und Weise, wie sie sich plötzlich in den Arm ihres Freundes drängte – das alles war nicht zu übersehen, und er verstand die Zeichen zu lesen. Furcht bei anderen Menschen war etwas, womit Al sich bestens auskannte.
    Er wandte das Gesicht zu dem Schwarzen und fauchte den Mistkerl wütend an. Einen kurzen Augenblick lang spürte er drei Narben, die heiß auf seiner linken Wange pulsierten. »Ich werd’ dich nicht vergessen, Schwanzlutscher. Ich werd’ dich finden, und ich werd’ dich Respekt lehren. Glaub mir, Freundchen, du wirst es auf die richtig harte Tour lernen.« Plötzlich war sie wieder da, die alte Wut. Sie brannte heiß in seinem Körper. Er zitterte am ganzen Leib, und seine Stimme verwandelte sich zu einem donnernden Gebrüll. »Niemand verarscht Al Capone, Kerl! Hast du das begriffen? Niemand behandelt Al Capone wie einen Haufen Hundescheiße auf dem Gehweg! Ich hab’ das ganze beschissene Chicago beherrscht! Es war meine Stadt! Ich bin kein Straßenpunker, auf dessen Kosten ihr euch einen Scherz erlauben könnt! Ich. Verlange. RESPEKT!«
    »Verdammter Retro!« Der Mann schwang die Faust.
    Selbst wenn Lovegroves Körper nicht über die energistischen Kräfte verfügt hätte, die besessene Seelen im natürlichen Universum von sich gaben, würde Al ihn wahrscheinlich geschlagen haben. Die Jahre in Brooklyn hatten ihm zahllose Schlägereien beschert, und die Menschen hatten bald gelernt, seinem unberechenbaren Temperament aus dem Weg zu gehen.
    Al duckte sich instinktiv und riß die rechte Faust hoch. Der Schlag war gezielt, nicht nur physisch, sondern auch mental. Er traf den Mann voll an der Seite des Kiefers.
    Es gab ein häßliches Geräusch brechender Knochen. Totenstille. Der Schwarze segelte fünf Yards rückwärts durch die Luft und prallte auf dem Bürgersteig auf wie ein nasser Sack, um noch zwei Yards weiterzurutschen, bevor er reglos zur Ruhe kam. Blut strömte aus seinem Mund, wo der zerschmetterte Knochen Lippen und Wange durchbohrt hatte.
    Al starrte ihn voller Überraschung an. »Gottverdammt!« Dann fing er an zu lachen.
    Das Mädchen schrie. Sie schrie und schrie und schrie.
    Al blickte sich in plötzlicher Besorgnis um. Jedermann auf dem breiten Bürgersteig starrte entweder ihn oder sein schwarzes Opfer an. »Halt’s Maul!« zischte er der hysterischen Braut zu. »Halt endlich das Maul!«
    Doch sie hörte nicht. Sie schrie und schrie und schrie, als würde sie dafür bezahlt.
    Dann erklang ein anderes Geräusch, schnitt durch den entstehenden Lärm und wurde lauter und lauter. Und Al Capone stellte fest, daß er nach sechshundert Jahren nicht nur Feuerwaffen auf den ersten Blick erkannte. Auch Polizeisirenen hatten sich nicht sonderlich verändert.
    Er rannte los. Die Menschen vor ihm spritzten auseinander wie junge Katzen vor einem Pitbull. Ringsum ertönten Schreie.
    »Haltet ihn!«
    »Bloß weg!«
    »Verdammter Retro!«
    »Er hat diesen Burschen umgebracht! Mit einem einzigen Schlag!«
    »Nein, bleiben Sie zurück! Versuchen Sie nicht …«
    Ein Mann stellte sich Al in den Weg. Massig und durchtrainiert, und er ging in die Knie wie ein Footballspieler beim Angriff. Al winkte fast beiläufig mit der Hand, und weißes Feuer sprang dem verhinderten Helden ins Gesicht. Schwarze Fetzen von Fleisch schälten sich zischend von den Knochen, und dichtes braunes Haar verpuffte zu Asche. Ein dumpfes, schmerzerfülltes Stöhnen, das abbrach, als der Schmerz sein Bewußtsein überflutete, und der Mann fiel wie ein Stein zu Boden.
    Und dann ging es erst richtig los. Aus ängstlichen Menschen wurde ein panisch flüchtender Mob. Eine Stampede brach los, als alle vor ihm davonrannten. Unbeteiligte Zuschauer wurden rücksichtslos niedergetrampelt und überrannt.
    Al warf einen Blick über die Schulter und sah, wie ein Teil der transparenten Absperrung zwischen Straße und Bürgersteig in den Boden glitt. Der Einsatzwagen der Polizei rollte auf ihn zu, ein bösartig aussehendes, schwarz-blaues Fahrzeug mit windschnittigem Profil und glattem Rumpf. Blendend grelle Lichter blitzten auf dem Dach.
    »Stehenbleiben, Retro!« dröhnte es aus einem verborgenen Lautsprecher.
    Al wurde langsamer. Vor ihm befand sich ein Arkadenhof, doch der Eingangsbogen war breit genug, um auch den Einsatzwagen durchzulassen. Gottverdammt! Kaum vierzig Minuten zurück unter den Lebenden und schon wieder auf der Flucht vor den Bullen!
    Was mag

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