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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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(irdische) Jahre alten Kindes war einigermaßen bizarr, euphorisch und voller Unverstand. Doch Louise – dieses Gör war eine ganz andere Geschichte. Sie erklärte Titreano, wie sich die gesamte Wirtschaft des Planeten auf den Export von Norfolk Tears stützte, wie klug die Gründerväter gewesen waren, als sie für ihre Nachkommen einen ländlichen Lebensstil bestimmt hatten, wie wunderbar doch die Städte und Dörfer waren, wie sauber die Landschaft und die Luft im Vergleich zu industrialisierten Planeten, wie nett die Menschen, wie wohl organisiert die großen Güter waren und wie wenige Kriminelle es zu beklagen gab.
    »Das klingt ganz so, als hättet Ihr viel Gutes erreicht«, sagte Titreano. »Norfolk ist eine beneidenswerte Welt. Glücklich die, die hier geboren wurden.«
    »Es gibt ein paar Leute, denen es nicht gefällt«, sagte Louise. »Aber es sind nicht sehr viele.« Sie blickte auf ihre Schwester hinab, die mit dem Kopf in Louises Schoß lag und eingeschlafen war. Das sanfte Schaukeln des Zigeunerwagens hatte sie müde gemacht. Louise strich ihrer Schwester ein paar Locken aus der Stirn. Inzwischen war es schmutzig und ungekämmt, einzelne Strähnen versengt vom Feuer im Stall. Mrs. Chalsworth wäre wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen, wenn sie Genevieve so sehen würde. Die Töchter der Landbesitzer hatten schließlich immer und überall ein Vorbild abzugeben, und das galt für die Kavanagh-Töchter ganz besonders.
    Allein der Gedanke an die alte Frau und wie sie sich geopfert hatte drohte den Tränen freien Lauf zu verschaffen, die nun so lange auf sich hatten warten lassen.
    »Louise, warum erzählen Sie ihm nicht den Grund dafür, daß es den Dissidenten auf Norfolk nicht gefällt?« fragte Carmitha.
    »Dissidenten?« fragte Louise.
    »Die Leute von der Landarbeitergewerkschaft. Die Händler, die ins Gefängnis geworfen werden, weil sie versuchen, den Menschen Medizin zu verkaufen, die überall in der Konföderation eine Selbstverständlichkeit ist, die Tagelöhner, die auf den großen Landgütern schuften und all die anderen Opfer der fetten Landbesitzerkaste, mich eingeschlossen.«
    Wut, Erschöpfung und Verzweiflung stiegen in Louise auf und drohten den letzten Rest von Zuversicht zu ertränken, der ihr noch verblieben war. Sie war so sehr am Ende, doch sie mußte weiter und weiter, mußte sich um Gen kümmern. Um Gen und ihr kostbares Baby. Würde sie Joshua jemals wiedersehen? »Warum sagen Sie so etwas?« fragte sie niedergeschlagen.
    »Weil es die Wahrheit ist! Nichts, das ein Kavanagh zu hören gewohnt wäre, garantiert nicht. Jedenfalls nicht von meinesgleichen.«
    »Ich weiß selbst, daß diese Welt nicht vollkommen ist. Ich bin nicht blind, und ich bin nicht dumm!«
    »Nein, das sind Sie gewiß nicht. Sie wissen sehr genau, was Sie tun müssen, um sich Ihre Privilegien und Ihre Macht zu sichern. Sehen Sie nur, wohin es Sie gebracht hat! Der ganze Planet wird von Typen wie Titreano übernommen, wird Ihnen aus den Händen entrissen. Jetzt stehen Sie ziemlich dumm da, wie? Gar nicht mehr so vornehm und über allen Dingen!«
    »Das ist eine gemeine Lüge!«
    »Tatsächlich? Es ist kaum vierzehn Tage her, da sind Sie noch auf dem Pferd an mir vorbeigeritten, während ich auf einem Ihrer verdammten Rosenhöfe geschuftet habe. Haben Sie etwa angehalten, um sich mit mir zu unterhalten? Haben Sie überhaupt von mir Notiz genommen?«
    »Ladies, ich muß doch sehr bitten!« sagte Titreano unruhig.
    Doch Louise war außerstande, die Herausforderung zu ignorieren, die Beleidigung und die scheußlichen Schlußfolgerungen, die sich dahinter verbargen. »Haben Sie mich gebeten anzuhalten?« fauchte sie. »Wollten Sie sich wirklich mit mir unterhalten, von den Dingen hören, die ich liebe und die mir am meisten bedeuten? Oder waren Sie nicht viel zu beschäftigt, die Nase über mich zu rümpfen? Sie mit Ihrer selbstgerechten Armut! Nur weil ich reich bin, bin ich böse, wie? Das ist es doch, was Sie denken, oder vielleicht nicht?«
    »Ihre Familie zumindest, ja. Dafür haben Ihre Vorfahren mit ihrer verdammten unterdrückenden Verfassung gesorgt. Ich wurde auf der Straße geboren, und ich werde auch auf der Straße sterben. Damit hab’ ich keine Probleme – aber Sie und Ihresgleichen, Sie zwingen uns, im Kreis zu fahren. Immer wieder die gleiche Straße, die uns nirgendwo hinführt, und das in einem Zeitalter, wo man mitten ins Zentrum der Galaxis fliegen könnte. Sie haben uns so sicher eingesperrt,

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