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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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sperrigen, entfernt medizinisch aussehenden Apparaten, schien nicht bis zu seinem Bewußtsein vorzudringen.
    »Also schön, Gerald«, sagte der Krankenpfleger freundlich. »Machen wir es uns ein wenig bequem, wollen wir?«
    Vorsichtig ließ er Gerald auf die Bettkante sinken, dann hob er seine Beine hoch und schob sie herum, bis sein Schützling langgestreckt auf dem Bett lag. Immer schön langsam. Er hatte bereits ein gutes Dutzend Kandidaten für eine Persönlichkeitsextraktion hier oben auf Guyana im Sicherheitsbereich der Navy vorbereitet. Keiner von ihnen hatte sich freiwillig gemeldet. Vielleicht bemerkte Skibbow im letzten Augenblick, was ihm bevorstand. Vielleicht war es der Funke, der erforderlich war, um ihn aus seinem Trauma zu reißen.
    Aber nein. Gerald ließ sich ohne jeden Widerstand auf dem Bett festschnallen, und das Netz paßte sich exakt seinen Konturen an. Er gab nicht einen Laut von sich, und seine Augen zuckten nicht einmal, als es sich straff zusammenzog. Der nicht wenig erleichterte Krankenpfleger gab den beiden Männern hinter dem langen Glaspaneel in der Wand ein Zeichen. Vollkommen bewegungsunfähig starrte Gerald durch den übergroßen Plastikhelm hindurch, der sich über seinen Kopf stülpte. Das Innere war flaumig, ein Futter aus seidigem Fell, das irgendwie steif gemacht worden war. Dann war sein Gesicht vollständig von dem Helm bedeckt, und das Licht erlosch.
    Chemische Infusionen stellten sicher, daß er keinen Schmerz verspürte und kein Unbehagen, während die nanonischen Fasern sich einen Weg an seinen Hautzellen vorbei suchten und den Schädelknochen penetrierten. Es dauerte fast zwei Stunden, bis die Spitzen die notwendige Position zwischen den Synapsen eingenommen hatten, ein komplizierter Vorgang ähnlich der Implantation einer neuralen Nanonik. Die Infiltration war allerdings um einiges gründlicher als jede gewöhnliche Aufrüstung menschlicher Gehirnfunktionen, denn hier wurden die Erinnerungszentren angezapft und mit Neurofibrillen besetzt. Es war ein massiver Eingriff, Millionen von Fibrillen, die sich durch Kapillaren wanden, aktive molekulare Ketten mit vorprogrammierten Funktionen, die genau wußten, wohin sie zu gehen und was sie zu tun hatten, wenn sie am Ziel angekommen waren. Sie erinnerten in vielerlei Hinsicht an die dendritischen Verzahnungen des lebendigen Gewebes, in dem sie ein paralleles, zweites Informationsnetzwerk errichteten. Die Zellen des Gewebes gehorchten ihrer DNS-Struktur, die Fasern wurden von KI’s gesteuert. Ein Prozeß, der durch das Studium des anderen geschaffen wurde, aber sich niemals ergänzte.
    Erste Impulse rasten durch die Fasern, als die hypersensitiven Spitzen synaptische Entladungen registrierten. Ein schreckliches Chaos aus zufälligen Gedankenfragmenten, Erinnerungen ohne jede Ordnung. Die KI der Anlage aktivierte sich, stellte Vergleichsmessungen an, definierte Charakteristika, erkannte bestimmte Muster und verwob sie zu kohärenten Sensorium-Umgebungen.
    Gerald Skibbows Gedanken wurden auf sein Appartement in der Arkologie von Groß-Brüssel fokussiert. Es waren drei einigermaßen geräumige Zimmer in der fünfundsechzigsten Etage der Delores-Pyramide. Aus den dreifach verglasten Fenstern hatte man einen Ausblick auf eine Landschaft von nüchterner Geometrie. Kuppeln, Pyramiden, Türme, alle zusammengedrängt und verbunden durch ein Eingeweiden gleiches Gewirr von Vakuumbahnröhren. Jede sichtbare Oberfläche war grau, selbst das Glas der Kuppel war vom Schmutz und Staub vieler Jahrzehnte schmierig geworden.
    Es war zwei Jahre her, daß sie hier eingezogen waren. Paula war drei Jahre alt und krabbelte überall umher, fiel ständig hin. Marie war noch ein winziger Säugling, der allerdings ein gewaltiges Spektrum an ungläubigen Schreien auszustoßen imstande war, während die Welt ringsum Tag für Tag weitere Wunder enthüllte.
    An jenem Abend wiegte Gerald seine jüngste Tochter (schon damals eine Schönheit) im Schoß, während Loren es sich in einem Ohrensessel bequem gemacht hatte und die Nachrichten verfolgte. Paula spielte mit dem auf Babysitting programmierten Disney-Mechanoiden, einem knuffigen, anthropomorphen Stachelschwein, das Gerald vierzehn Tage zuvor gebraucht gekauft hatte und das ein verdammt irritierendes Lachen besaß.
    Es war eine glückliche Familie in einem gemütlichen Heim. Sie waren zusammen und glücklich darüber. Die starken Wände der Arkologie schützten sie vor den Gefahren der Welt draußen, und

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