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Seelengesaenge

Seelengesaenge

Titel: Seelengesaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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an, verschonen Sie meine Schwester. Sie hat am heutigen Tag genug durchgemacht. Kein Kind der Welt sollte mehr ertragen müssen. Lassen Sie meine Schwester nach hinten in den Wagen, wo Sie Ihre Anschuldigungen nicht hören kann. Bitte.« Sie wollte noch mehr sagen, noch viel mehr, doch der Kloß in ihrer Kehle ließ es nicht zu. Sie fing an zu schluchzen und haßte sich dafür, daß Genevieve ihre Schwäche sehen konnte. Doch dann war es leicht, den Tränen endlich ihren freien Lauf zu lassen.
    Genevieve schlang die Arme um ihre Schwester und drückte sie fest. »Wein nicht, Louise. Bitte, weine nicht.« Ihr Gesicht verzerrte sich. »Ich hasse Sie, Carmitha!« spuckte sie die Zigeunerin förmlich an.
    »Ich hoffe, nun seid Ihr zufrieden, Lady«, sagte Titreano kurz.
    Carmitha starrte die beiden in Tränen aufgelösten Töchter an, dann Titreanos hartes, angewidertes Gesicht, dann ließ sie die Zügel fallen und barg das Gesicht in den Händen. Ein kaum zu ertragendes Schamgefühl stieg in ihr auf.
    Scheiße! Warum mußtest du deine eigene erbärmliche Angst an einem sechzehnjährigen Mädchen auslassen, das vor Furcht versteinert ist und noch nie im Leben irgendeiner Seele etwas zuleide getan hat? Das im Gegenteil sogar sein Leben riskiert hat, um dich vor den Besessenen in der Farm zu warnen?
    »Louise.« Sie streckte dem immer noch schluchzenden Mädchen die Hand entgegen. »O Louise, es tut mir so leid. Ich wollte Sie nicht verletzen. Ich habe es nicht so gemeint, wirklich nicht. Ich bin so dumm, ich denke nie nach.« Wenigstens hielt sie rechtzeitig inne, bevor sie »Bitte verzeihen Sie mir« sagen konnte. Trag deine Schuld und erstick dran, du dummes Stück, schalt sie sich.
    Titreano hatte den Arm um Louise gelegt, doch sie wollte sich nicht trösten lassen.
    »Mein Baby«, stöhnte sie zwischen den einzelnen Schluchzern. »Sie werden mein Baby töten, wenn sie uns fangen.«
    Titreano nahm sanft ihre Hände. »Ihr … Ihr erwartet ein Baby?«
    »Ja.« Louises Schluchzen wurde wieder lauter.
    Genevieve riß die Augen auf. »Du bist schwanger?«
    Louise nickte heftig, und das lange Haar fiel ihr ins Gesicht.
    »Oh.« Ein unsicheres Lächeln spielte um Genevieves Mund. »Ich sag’s niemanden, Louise. Ich verspreche es«, sagte sie ernsthaft.
    Louise schluckte mühsam und blickte ihre Schwester an.
    Dann lachte sie zwischen den Tränen hindurch und drückte Genevieve an sich. Genevieve erwiderte die Umarmung.
    Carmitha bemühte sich, ihre eigene Überraschung zu verbergen.
    Eine Grundbesitzertochter wie Louise, aus den höchsten der hohen Schichten, unverheiratet und schwanger! Ich frage mich, wer …
    »Also schön, in Ordnung«, sagte sie mit neuer Entschlossenheit. »Das ist ein weiterer Grund, Sie beide von dieser Insel zu schaffen, Louise. Der beste bisher.« Die Schwestern musterten sie voller Mißtrauen. Ich kann ihnen keinen Vorwurf daraus machen. Sie fuhr fort: »Ich schwöre Ihnen hier und jetzt, daß Titreano und ich alles tun werden, was in unserer Macht steht, damit Sie in das Flugzeug steigen können. Richtig, Titreano?«
    »Jawohl, in der Tat«, sagte er ernst.
    »Gut.« Carmitha nahm die Zügel wieder auf und schnalzte kurz. Das Pferd verfiel augenblicklich wieder in seinen eintönigen Trott.
    Eine gute Tat, dachte sie. Ein einziger Akt von Anständigkeit inmitten dieses Holocausts, der seit sechs Stunden anhält. Dieses Baby würde überleben. Großmutter, falls du mich sehen kannst, falls du den Lebenden auf irgendeine nur denkbare Weise helfen kannst, dann hilf mir bitte jetzt.
    Und außerdem – der Gedanke ließ ihr keine Ruhe – ein Junge, der nicht von Grant Kavanagh eingeschüchtert war, der es gewagt hatte, seine kostbare Tochter anzufassen.
    Genaugenommen eine ganze Menge mehr als nur anzufassen. War er nur tollkühn romantisch – oder ein wirklicher Held?
    Carmitha warf einen raschen Seitenblick auf Louise. Was auch immer, sie hatte wirklich Glück.
     
    Der langgestreckte Lieferwagen, der langsam in das dritte Untergeschoß der Tiefgarage unter der Stadthalle rollte, trug auf den Seiten die stilisierte Palme mit den orbitierenden Elektronen, das Logo der Tarosa Metamech Corporation. Er steuerte eine Parkbucht direkt neben einem Wartungsaufzug an. Sechs Männer und zwei Frauen stiegen aus, alle in den dunkelroten Overalls der Gesellschaft. Drei flache Lastkarren, vollgestapelt mit Kisten und Werkzeug, rollten dienstbeflissen von der Rampe, die sich aus dem Heck des Wagens gesenkt

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