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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Richterin festgestellt, dass Gruber kein Wort über den ehemaligen Liebhaber seiner Frau verloren hatte, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, damit den Verdacht zunächst einmal von sich abzulenken. Doch sie hatte verstanden, warum Gruber sich so verhalten hatte. Sein verletzter Stolz und vor allem seine Hoffnung auf einen Neuanfang, die mit dieser Tat so gnadenlos zerstört worden war, hatten ihn daran gehindert, darüber zu sprechen. Ganz bewusst hatte sie Gruber deshalb nicht vorher auf dieses Thema angesprochen. Sie hatte geahnt, dass er direkter reagieren würde, wenn er unvermittelt von der Richterin damit konfrontiert werden würde. Und sie hatte recht behalten. Es war perfekt.
    Während die Richterin, nun wesentlich behutsamer als zuvor Walter Gruber nach dem Namen des Mannes fragte, machte Clara einen dritten Haken auf ihren Notizen und
schrieb Grubers jetzt wieder um Beherrschung bemühte Antwort daneben: Adolf Wimbacher. Dann widmete sie sich ihrem letzten und entscheidenden Punkt, für den Grubers so offensichtliche Verzweiflung die Steilvorlage gebildet hatte.
    Sie runzelte die Stirn und blätterte in ihrer Akte bis zu der Seite des Tatortbefundberichts. »Eine letzte Sache erscheint mir noch außerordentlich wichtig«, begann sie zögernd und mit einem wohlkalkulierten besorgten Seitenblick auf ihren Mandanten. Würde er diesem letzten Punkt standhalten können? Oder war es zu viel? Sie überflog die Zeilen des Berichts, die sie längst auswendig kannte. »Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, weshalb sollte mein Mandant die Leiche seiner Frau aus der Wohnung geschafft und sie auf einem Parkplatz am Nordfriedhof abgeladen haben? Wie passt dieses so planvolle wie unsinnige Vorhaben zu dem Vorwurf einer Affekttat, wie es die Staatsanwaltschaft annimmt? Wie kann ein Mann zuerst so unvermittelt unbeherrscht und dann wieder so überlegt handeln und gleichzeitig wissen, dass dieses Wegschaffen der Leiche vollkommen unsinnig ist? Mein Mandant ist ein erfahrener Beamter. Erfahren genug, um zu wissen, dass es keinen Sinn macht, seine unzähligen Spuren in der Wohnung beseitigen zu wollen. Hätte er nicht auch wissen müssen, dass es auch keinen Sinn macht, die Leiche zu beseitigen? Die Beamten gingen offenbar davon aus, dass dieses Vorgehen ebenfalls ein Affekt, zumindest unüberlegt war. Dem muss man widersprechen. Es gehört eine ziemliche Portion Kaltblütigkeit dazu, eine Leiche aus dem ersten Stock in die Tiefgarage zu transportieren, sie in den Kofferraum ihres eigenen Autos zu werfen und dann mit dem Auto zu einem Parkplatz zu fahren, um sie dort wie einen Müllsack abzuladen, das Auto wieder zurückzubringen und den Schlüssel wieder in die Wohnung zu hängen. Und damit nicht genug.
Anders als in der Wohnung hat die Spurensicherung weder im Aufzug noch im Auto oder am Autoschlüssel einen einzigen Fingerabdruck meines Mandanten gefunden. Also muss er, wenn man den Schlussfolgerungen der Beamten folgen will, diese Spuren akribisch beseitigt haben.« Clara machte eine Pause. »Ich kann mir dieses Vorgehen beim besten Willen nicht erklären. Vor allem kann ich es nicht mit einem verzweifelten Mann in Verbindung bringen, der gerade seine Frau umgebracht hat, mit der er einen zweiten Start für ein gemeinsames Leben geplant hatte. »
    Die Richterin nickte langsam. »Das ist etwas widersprüchlich, richtig«, gab sie zu. »Aber …«
    Clara ließ sie nicht ausreden. Mit einem Lächeln, das die Richterin um Verzeihung für die Unterbrechung bitten sollte, fuhr sie fort. »Ich dachte zuerst, das wäre der Knackpunkt. Daran hatte ich mich festgehakt. Doch das ist es nicht. Oder nicht nur. Der viel entscheidendere Punkt ist ein anderer. Und als ich den gefunden hatte, war mir klar, dass Walter Gruber es nicht gewesen sein kann.«
    Sie warf einen letzten Blick auf ihre Notizen: A wedding dress or something white stand da handschriftlich dazugekritzelt, und die Takte des Liedes, das Clara darauf gebracht hatte, klangen ihr noch immer in den Ohren. Sie hob den Kopf und sah der Richterin offen ins Gesicht. »Die beiden Beamten am Tatort haben ausgesagt, dass mein Mandant versucht hat, die nackte Leiche seiner Frau mit seinem Mantel zu bedecken. Es war ihm unangenehm, sie so entblößt dort liegen zu sehen.« Clara warf Gruber einen Blick zu. »Ich kann diese Handlungsweise gut verstehen. Es ist nachvollziehbar, und ich habe meine Zweifel, dass es jemandem gelänge, in einer solchen Situation so professionell zu

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