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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Nein, sie glaubte, gelesen zu haben, dass sie Nichtraucherin gewesen war. »Also, sie steht hier nach der Vorstellung etwas verloren herum, kein bisschen besser gelaunt nach zweieinhalb Stunden in Gesellschaft der überaus perfekten und wunderschönen Nicole Kidman und des noch perfekteren Hugh Sahneschnitte Jackman,
die sich sicher am Ende gekriegt haben…« Clara hatte den Film nicht gesehen, vermutete aber ein Happy End. »Du hattest eine stattliche Menge Alkohol im Blut, also bist du danach auf dem Heimweg noch irgendwo etwas trinken gegangen.«
    Sie drehte sich einmal um die eigene Achse und schlug dann den Weg in die Feilitzschstraße ein. Dort, in der Gegend zwischen Münchener Freiheit und Englischem Garten, gab es eine Menge Kneipen und Restaurants höchst unterschiedlicher Qualität und für fast jeden Geschmack. Was war das Richtige für jemanden wie Gerlinde Ostmann gewesen?
    Etwas ratlos wanderte Clara mit der zusehends lustloser werdenden Elise im Schlepptau durch die kleinen Straßen und versuchte ihr Glück in den Restaurants und Lokalen, die um die Mittagszeit schon geöffnet hatten und einigermaßen so aussahen, als ob sich Gerlinde Ostmann allein dort hineingewagt hätte. Doch schon während sie im ersten Lokal ihr Foto zückte und es den Angestellten zeigte, wusste sie, dass das nichts bringen würde. Nichts bringen konnte. Wer sollte sich schon an eine alleinstehende Frau erinnern, die hier vor über einem Jahr etwas getrunken hatte? Wenn sie überhaupt hier gewesen war und Clara sich nicht alles nur zusammengesponnen hatte. Sie erntete auch nur ratloses Kopfschütteln. Einige der Bedienungen waren damals noch gar nicht da gewesen, und die anderen konnten sich erwartungsgemäß nicht erinnern. Trotzdem klapperte Clara alle Läden ab, die ihr in irgendeiner Weise vielversprechend vorkamen.
    Nach über zehn Lokalen war sie unverrichteter Dinge wieder am Wedekindplatz angelangt, und ihre Finger waren steifgefroren. Ihre Zehen erfreulicherweise nicht. Also hatte
ihr Stiefelkauf bei der Firma Hartmann tatsächlich noch etwas Gutes gehabt. Sie ging in den McDonald’s gegenüber, kaufte sich eine kleine Tüte Pommes Frites und einen Hamburger und aß beides mit Todesverachtung. Sie konnte Fast Food nicht ausstehen, vor allem die Semmeln verabscheute sie leidenschaftlich. Aber sie hatte auch keine Muße, irgendwo anders ordentlich zu Mittag zu essen, und Ritas Café war weit.
    Als sie halbwegs aufgewärmt und mit schwerem Magen wieder nach draußen trat, waren plötzlich dicke Wolken aufgezogen. Clara sah überrascht nach oben. Seit mehr als zwei Wochen war der Himmel wolkenlos gewesen. Wolkenlos klar und bitterkalt.
    Für diese Jahreszeit, in der es hier in der Stadt meistens graue Wolkensuppe gab und die Sonne nur in den Bergen schien, war das ungewöhnlich. Wie überhaupt dieser eiskalte Winter ohne Schnee ungewöhnlich war. Vielleicht würde es doch noch schneien? Es war erst Anfang Februar, der Winter war noch lange nicht vorbei.
    Unschlüssig blieb sie stehen. Dort, am McDonald’s vorbei, gab es noch eine Straße, in der sie noch nicht gewesen war. Sie führte im schrägen Winkel in Richtung Ungererstraße und war stiller und weniger bunt als die anderen Straßen des Viertels. Ganz vorne gab es einen Schreibwarenladen, der so aussah, als sei er aus den fünfziger Jahren übriggeblieben. Es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis dieses Relikt einer anderen Ära durch eine Dönerbude und einen Coffee-Shop ersetzt werden würde.
    Sie warf einen Blick auf Elise, die mit eingezogenem Schwanz neben ihr stand und sie vorwurfsvoll ansah, und kraulte sie hinter den Ohren. »Wir gehen jetzt nur noch diese letzte Straße entlang und schauen, ob es dort ein Lokal
gibt, und dann steigen wir in die U-Bahn und fahren zurück ins Büro. Was hältst du davon?«
    Elise hielt davon augenscheinlich gar nichts, doch nachdem einfach dazubleiben auch keine echte Alternative war, trabte sie Clara missmutig hinterher.
    Sie kamen an einer etwas schäbigen Musikkneipe vorbei, die um diese Zeit natürlich noch geschlossen hatte, einem Tattoo-Laden, einem Esoterik-Buchladen und einem Geschäft für Second-Hand Mode. Clara wollte gerade umkehren, als ihr ganz am Ende das Schild einer Brauerei ins Auge stach. Abrupt blieb sie stehen. Ein letzter Versuch noch, dann würde sie aufgeben. Fürs Erste jedenfalls. Das Brauereischild gehörte zu einem schlichten Wirtshaus, wie es früher in der Stadt davon eine ganze Menge

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