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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Sie sie einfach entlassen? Nach zwanzig Jahren?« Clara war es jetzt egal, dass sie offiziell gar nichts davon wissen konnte. »Haben Sie gedacht, damit wäre das Problem gelöst?«
    »Das war wegen meiner Frau! Es musste etwas passieren. Wenn das so weitergegangen wäre, hätte sie sich scheiden lassen.« Er seufzte. »Es war keine Liebe, auch wenn Gerlinde das vielleicht gedacht hat. Sie hat sich an mich geklammert, als ob ich sie vor dem Ertrinken retten könnte! Sie war wie ausgehungert.«
    Ausgehungert. Den gleichen Begriff hatte seine Frau auch
gewählt. Clara biss sich auf die Lippen. Je mehr sie über die Tote erfuhr, desto mehr war sie zu bedauern.
    »Und am Abend ihres Todes hat sie Sie dann noch einmal angerufen, nicht wahr? Da haben Sie erkannt, dass es für Gerlinde keineswegs vorbei war. Warum haben Sie sich mit ihr getroffen? Hat sie Ihnen leid getan oder …«
    »Getroffen? Herrgott, was reden Sie denn da?« Herr Hartmann schüttelte verwirrt den Kopf. »Ich habe sie nicht getroffen. Wie kommen Sie darauf? Und ich dachte, Sie haben von ihrem Tod erst heute erfahren …?« Er sah sie misstrauisch an. »Sie sind gar keine Freundin, oder? Wer sind Sie? Jemand von der Polizei? Aber warum? Die Sache ist doch längst abgeschlossen? Kommen Sie wegen …«
    »Es haben sich neue Umstände ergeben«, unterbrach ihn Clara und bemühte sich um ein förmliches Gesicht. »Es muss noch einmal nachgeprüft werden, ob Sie in der Nacht, in der Gerlinde Ostmann gestorben …«
    »Aber ich war doch gar nicht da, als sie gestorben ist!«, rief Herr Hartmann, nun völlig außer sich. »Ich war auf der Fachmesse in Köln, zusammen mit meiner Frau! Ich hatte keine Ahnung, dass Gerlinde noch einmal kommen wollte, um sich zu verabschieden! Ihre Arbeitszeit war ja schon abgegolten, alles war erledigt … Wahrscheinlich ist sie extra an dem Tag gekommen. Sie wusste ja, dass wir auf der Messe waren, so wie jedes Jahr, wir haben einen Stand dort, immer in der gleichen Halle, das können Sie nachprüfen.« Er verstummte, dann sagte er leise: »Und eines kann ich Ihnen sowieso versprechen: Niemals hätte sie mich angerufen. Sie hat nach der Kündigung kein Wort mehr mit mir geredet. Kein einziges.«
    »Erwarten Sie deswegen etwa Mitleid von mir?« Clara hob kühl die Augenbrauen. »Ich muss jetzt gehen.«
    »Halt, warten Sie!« Herr Hartmann rief ihr nach, als sie
schon aus der Tür war. »Wer sind Sie denn jetzt eigentlich? Kann ich Ihren Ausweis sehen?«
    Clara drehte sich noch einmal nach ihm um und sah ihn traurig lächelnd an. »Tut mir leid, aber ich bin wirklich nur eine Freundin von Gerlinde Ostmann, nichts weiter. Leben Sie wohl, Herr Hartmann!«
     
    Er blieb an der Tür stehen und sah ihr nach, als seine Frau zu ihm trat. »Hat sie die Schuhe tatsächlich genommen?«
    Er nickte abwesend.
    »Hättest du gedacht, dass diese biedere Gerlinde so eine … ungewöhnliche Freundin hatte?«, fragte sie weiter.
    »Das war keine Freundin.«
    »Keine Freundin? Du meinst, sie hat uns angelogen?«
    Ihr Mann nickte.
    »Aber wer war sie dann, um Himmels willen?«
    »Ich weiß nicht.« Er gab sich einen Ruck und wandte sich ab. Gemeinsam gingen sie zurück in den Laden. »Keine Ahnung, wer das war. Am besten, wir vergessen das Ganze.«
    Seine Frau nickte erleichtert. »Ja. Das ist das Beste. Es führt zu nichts, alte Dinge wieder aufzurühren.«

VIERZEHN
    Clara ging niedergeschlagen die Straße zurück in Richtung U-Bahn. Dieses Gespräch hatte sich so vielversprechend entwickelt. Sie war sich so sicher gewesen, in Hartmann den richtigen Mann gefunden zu haben. Am liebsten hätte sie ihn sofort verhaften lassen. Doch dann? Dann hatte sich plötzlich alles wieder ganz anders dargestellt, und ihr neuer Verdächtiger hatte sich mit einem »Plopp« in Luft aufgelöst. Wenn das mit der Messe in Köln stimmte, konnte er es wohl kaum gewesen sein. Und diese Angaben würden sich leicht nachprüfen lassen. Sie musste Gruber Bescheid geben. Clara seufzte. Wieder eine Spur, die nach wenigen Metern im Sand verlief.
    Aber wenigstens hatte sie ein bisschen mehr über Gerlinde Ostmann erfahren. Was für eine traurige, trostlose Geschichte: Die Buchhalterin verliebt sich in ihren Chef. Vielleicht hatte sie ihn schon eine ganze Weile heimlich geliebt, und nach dieser Betriebsfeier hatte sie geglaubt, dass ihr Sehnen und Flehen endlich erhört worden war. Wahrscheinlich war sie überglücklich gewesen. Allerdings nur für kurze Zeit. Clara kickte mit

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