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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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gegeben hatte, bevor der Laptop- und Lederhosen-Chic Einzug gehalten hatte. Kurzentschlossen ging Clara, die mittlerweile äußerst missgestimmte Elise fest am Halsband gepackt, hinein.
    Das Lokal bestand aus einem einzigen kleinen Gastraum mit dunkler, fast schwarzer Holztäfelung an den Wänden und einer Schänke am anderen Ende. Kein einziger Gast saß an den leeren Holztischen, auf denen, wie Clara sofort bemerkte, Aschenbecher standen. Eine Raucherkneipe. Ob sich Gerlinde Ostmann ausgerechnet hierher verirrt hatte? Clara bezweifelte das. Sie überlegte gerade, ob sie wieder gehen sollte, als ein Mann hinter der Theke auftauchte.
    »Grüß Gott.«
    Clara zuckte mit den Achseln. Fragen kostete ja nichts, und auf eine Absage mehr oder weniger kam es auch nicht an. »Hallo.« Sie nahm das Foto aus der Tasche und ging zur Schänke.
    »Kann ich Ihnen helfen?« Der Mann hatte eine heisere Stimme und die plattgedrückte, schiefe Nase eines Boxers.
Pockennarben durchzogen seine Wangen. Doch er lächelte freundlich, und um seine Augen erschien ein Kranz tiefer Lachfältchen, die seinem Gesicht die Grobheit nahmen. In einem Ohr glitzerte ein Ohrring.
    Clara nickte zögernd. »Ja, vielleicht. Ich suche eine Frau, die womöglich vorletztes Jahr an einem Abend hier bei Ihnen gewesen ist.« Sie legte das Foto auf den Tresen. »Vielleicht können Sie sich an sie erinnern? Es war im Winter, kurz vor Weihnachten.«
    Der Mann nahm ein Bierglas aus dem Regal hinter ihm und stellte es unter den Zapfhahn. »Vorletztes Jahr? Mein Gott! Wie soll man sich da an einen einzelnen Gast erinnern?«
    Clara seufzte. »Ja, ich weiß, es ist eigentlich unmöglich. Ich dachte nur, womöglich ist sie aufgefallen. Sie war ganz allein, machte wahrscheinlich einen deprimierten Eindruck, und sie hat einiges getrunken.«
    Der Mann sah sie zweifelnd an. »Solche gibt’s haufenweise in einer Kneipe wie meiner. Auch Frauen. Sie würden sich wundern.« Wie zur Bekräftigung nahm er einen Schluck aus seinem gezapften Bier, das zu vier Fünfteln aus Schaum bestand. »Wollen S’ was trinken? Auch einen Schnitt vielleicht?«
    Clara schüttelte den Kopf. »Danke, aber das ist mir noch ein bisschen zu früh. Vielleicht einen Kaffee?« Sie kramte ihre Zigarettenschachtel hervor. Was für ein Luxus: eine Zigarette, die sie nicht mit klammen Fingern auf der Straße rauchen musste.
    Der Wirt stellte ihr eine Tasse Filterkaffee hin und gab ihr Feuer. Dann nahm er das Foto und warf einen Blick darauf. »Sieht nicht mehr sehr g’sund aus«, meinte er und nahm noch einen Schluck. »Warum suchen Sie denn nach der? Sind Sie von der Polizei?«

    Clara schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin Rechtsanwältin. Ein Freund von mir steckt in Schwierigkeiten, und diese Frau könnte etwas damit zu tun haben.« Sie trank einen Schluck Kaffee. Er war lauwarm und schmeckte abgestanden. Wahrscheinlich war er schon vor Stunden aufgebrüht worden. »Sie ist seit vorletztem Jahr tot. Ich versuche herauszufinden, wo sie an dem Abend war, bevor sie gestorben ist. Sie muss jemanden kennengelernt oder getroffen haben.« Sie zuckte mit den Achseln und fügte hinzu: »Kann sein, dass sie einen Blumenstrauß dabei hatte. »
    »Blumenstrauß, sagen Sie?« Der Mann kratzte sich am Kinn. »Warten Sie mal, da klingelt was bei mir. Nein, das kann noch nicht so lange her sein. Aber es war auch im Winter…« Er drehte sich um und rief durch die niedrige Durchreiche in die Küche hinein: »Hilde?«
    »Ja!« Eine helle, etwas schrille Frauenstimme antwortete ihm.
    »Wann war noch mal der Geburtstag von Papa Joke? Weißt schon, welchen ich meine, dieser narrische Abend. War das letztes oder vorletztes Jahr?«
    Die Antwort konnte Clara nicht verstehen. Sie trank den Kaffee aus, bevor er noch kälter wurde, und schüttelte sich leicht.
    »Ach ja? Vorletztes Jahr schon? Mhm, könntest recht haben.« Der Mann wandte sich wieder Clara zu und nahm noch einmal das Foto in die Hand. »Könnt’ schon sein, dass die das war. Seit wann ist sie tot, sagen Sie?«
    »In der Nacht vom 13. auf den 14. Dezember. Es hat heftig geschneit in dieser Nacht.« Clara sah den Mann hoffnungsvoll an.
    Er nickte abwesend, fuhr sich ein paar Mal übers Gesicht und schob sich schließlich ebenfalls eine Zigarette zwischen
die Lippen. »Der Wahnsinn«, murmelte er durch die zusammengebissenen Zähne. »Wenn die das tatsächlich war.«
    »Ja?« Konnte es sein, dass sie wirklich eine Spur von Gerlinde Ostmann gefunden hatte? »Sie

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