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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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aus einem der rückwärtigen Räume hinter seinen Tresen trat. Er begrüßte mich mit einem Winken, das ich mit einem Nicken erwiderte.
    »Was willst du trinken?«, fragte ich Jules.
    »Einen großen Latte macchiato.« Ich überlegte, ob ich nach einem ordentlichen Schuss Schnaps für ihren Kaffee verlangen sollte – womöglich würde der Alkohol sie beruhigen. Dann jedoch erinnerte ich mich an ihre Mutter und fragte mich, ob Jules das Zeug überhaupt anrühren würde.
    Statt des Schnapses entschied ich mich für einen Schokomuffin. Für mich selbst nahm ich nur einen großen Becher schwarzen Kaffee. Passend zu meinen Flügeln und meiner Seele.
    Ich plauderte ein wenig mit Bernie, während er meine Bestellung fertig machte, ohne mich hinterher daran zu erinnern, worüber wir gesprochen hatten. So war es meistens, wenn ich hierherkam. Bernie war freundlich und ausgesprochen unaufdringlich, ich mochte es, mit ihm über Belanglosigkeiten zu sprechen. Eine angenehme Abwechslung zu den nervtötenden Unterhaltungen, die ich so oft mit Akashiel auszufechten hatte.
    Zurück am Tisch stellte ich den Latte macchiato vor Jules ab und schob ihr den Muffin unter die Nase. »Du siehst aus, als könntest du ein bisschen Nervennahrung brauchen.«

12
    Jules saß auf der Kante der Sitzbank und starrte auf den Teller mit dem Muffin. Ihre Gedanken waren so weit entfernt, dass sich darauf ebenso gut ein Raumschiff hätte befinden können, ohne dass es ihr aufgefallen wäre. Meine Güte, dieser Kerl hatte sie einfach gepackt und vom Dach in diese Gasse gezerrt! Wobei gezerrt wohl nicht das richtige Wort für das war, was er getan hatte. Nur dass ihr kein passenderer Begriff einfallen wollte, der nichts mit Science-Fiction zu tun hatte.
    Sie hatte so viele Fragen, verstand so vieles nicht, doch sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wo sie anfangen sollte. Wenn sie sich alles aufschreiben und ihm ihre Fragen dann der Reihe nach stellen, abhaken und sich seine Antworten notieren könnte, wäre ihr sicher geholfen. Andererseits schien ihr Gegenüber nicht gerade zur geduldigen Sorte zu gehören. Mit jeder weiteren Frage würden seine Antworten vermutlich knapper und immer weniger hilfreich ausfallen. Ganz zu schweigen davon, dass jede Frage, die den Weg auf das Papier fand, vermutlich zehn weitere nach sich zog.
    Verflucht, sie wusste ja noch nicht einmal, was sie von dieser ganzen Sache halten sollte. Seit der Junior High School hatte sie keinen Gedanken mehr an Gott oder den Teufel verschwendet. Nachdem es ihrer Mutter immer schlechter gegangen war, hatte sie nie Zeit gefunden, sich mit ihrem Glauben – oder der Frage, ob sie überhaupt an Gott glaubte– auseinanderzusetzen. Oder in die Kirche zu gehen. Womöglich hatte sie insgeheim trotzdem daran geglaubt oder zumindest gehofft, dass es mehr geben mochte, als die Wissenschaft zuzugeben bereit war. Wenn das stimmte, wenn dieser selbstgefällige Kerl, der ihr nun gegenübersaß, wirklich ein Engel war, dann war das der Beweis, dass auch Gott existierte. Bedeutete das, es gab noch Hoffnung für sie? Hoffnung, dass ihr verkorkstes Dasein irgendeinen anderen Zweck erfüllte als die schlichte Existenz verbunden mit dem täglichen Kampf ums Überleben?
    Aber war der Typ überhaupt ein Engel? Oder war er lediglich ein Hochstapler, der sie mit einem geschickt ausgeklügelten Schauspiel um den Finger zu wickeln versuchte?
    Seine Flügel hatten verdammt echt ausgesehen, auch wenn er sie jetzt irgendwo verstaut haben musste. Schon als sie in der Gasse gelandet waren, war das schwarze Gefieder nicht mehr da gewesen, und er hatte wieder ausgesehen wie ein normaler Mann. Soweit man bei jemandem, der Flügel beschwören konnte und in der Lage zu sein schien, sich an jeden beliebigen Ort zu versetzen, überhaupt von normal sprechen konnte.
    Je länger sie über alles nachdachte, desto mehr wirbelten ihre Gedanken im Kreis und desto verrückter erschien ihr das Ganze. Nachdem sie sich nicht entscheiden konnte, was sie zuerst wissen wollte oder wo sie überhaupt mit ihren Fragen ansetzen sollte, entschied sie sich für das Nächstliegende: »Ich kenne nicht einmal deinen Namen.«
    Er zog eine Augenbraue in die Höhe. »Ist das alles, was dich interessiert?«
    »Zumindest ist es ein Anfang.«
    Das schien ihm einzuleuchten. »Kyriel«, sagte er so leise, dass ihn der grauhaarige Mann hinter dem Tresen nicht hören konnte. »Mein Name ist Kyriel. Solange wir uns unterMenschen befinden, solltest du mich

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