SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
standzuhalten. Und noch bevor er darüber nachdenken konnte, stieß es ihn zurück und wollte nach seiner Kehle schnappen, als er ihr im letzten Moment ausweichen und eines der Hörner packen konnte. Aus dem aufgerissenen Maul drang ein fürchterliches Gebrüll, doch Roven schwang sich auf den Rücken.
Wie in Raserei wetzte das Ungetüm den Strand hinunter und versuchte, den Schotten auf seinem Rücken abzuschütteln, warf seinen Kopf zur Seite und erwischte Rovens Bein. Die Fänge bohrten sich tief in sein Fleisch und rissen ihn ruckartig nach vorn. Ehe er reagieren konnte, hatte es seinen Brustkorb mit einem der Hörner durchstoßen und schleuderte ihn meterweit von sich.
Roven landete im seichten Wasser und versuchte, sich zu orientieren. Aus den Löchern in seinem Körper sickerte eine goldene Flüssigkeit. Sein Blut? Es ließ das Meer um ihn herum glitzern. Er war also kein Mensch mehr – umso besser !
Der Schotte sprang auf und rannte dem Monstrum entgegen. Mit einem kräftigen Schlag zwang er das Maul zur Seite und konnte die Hörner erneut greifen. Diesmal schlang er die Beine um den Hals des Tieres. Es warf sich auf den Rücken und begrub ihn unter sich, doch Roven gab nicht auf. Er klammerte sich weiter an den Hörnern fest und verhakte die Füße vor der Kehle des Ungetüms.
Und während er unter dem samtigen Fell des Tieres begraben lag, es mit aller Kraft festhielt und seinen Sieg vor Augen hatte, verlor er plötzlich den Willen zu kämpfen. Er wollte diesem Wesen nicht wehtun, es verletzen oder gar töten. Doch als Roven seinen Griff etwas lockerte, bäumte sich die Bestie sogleich wieder auf.
„Beruhige dich doch!“ Verstand es ihn überhaupt? „Ich will dir nichts tun!“
Das Ungetüm brüllte wie zur Antwort und entspannte die gewaltigen Muskeln ein kleines bisschen.
„Wir sind uns viel zu ähnlich, als dass einer gewinnen könnte“, murmelte Roven vor sich hin und öffnete seinen Griff weiter.
Das Tier in seinen Armen knurrte und grunzte. Aus der breiten Schnauze drang ein tiefes Schnaufen. Roven löste seine Beine und die blaue Kreatur schüttelte energisch den Kopf. Er spürte, wie sich ihre Muskeln entspannten und ihr Atem langsamer wurde. Sie gab auf. Er hatte gesiegt.
Das Ungetüm sackte in den Sand und Roven erkannte, dass er sich mit ihm verbunden fühlte – der Augenblick ihrer ersten Zweisamkeit.
Der Schotte ließ sich auf dem Rücken nieder, verbarg den Kopf in der langen Mähne und atmete den Duft seiner Bestie ein. Wind, Himmel und Erde – eine Geruch, der Freiheit versprach.
Roven schloss die Augen und gab sich seiner Müdigkeit hin.
Und das Letzte, was er wahrnahm, war ihr beider Herzschlag, der sich zu einem vereinte.
Als er aufwachte, hatte er seinen Körper und die Kontrolle über sich selbst verloren. In Rovens Kopf pulsierte ein höllischer Schmerz. Sein Bewusstsein war eingesperrt und sein Geist durch einen zweiten blockiert. Er versuchte etwas zu erkennen, doch die Umgebung verschwamm. Der Schotte war nur noch Zuschauer, konnte nicht mehr handeln, nicht mehr sprechen.
Die Bestie brüllte.
Er musste in ihrem Leib gefangen sein und spürte schlagartig alles, was in ihr vorging. Sie forderte Blut und wollte töten, mit solcher Gewaltbereitschaft, dass Roven glaubte, den Verstand zu verlieren. Durch ihren Kopf schossen Bilder des Todes, voller Blut, Fleisch und Gier und er konnte diese Gedanken, diesen Hunger nicht ertragen.
Ihre Denkweise wurde zu seiner eigenen.
Er fühlte es selbst.
Ja.
Er wollte Blut.
Wollte töten und besitzen.
Eine zerreißende Aggression stieg in ihm auf. Er versuchte, durch ihre glühenden Augen nach draußen zu schauen. Eine zweite Bestie stand vor ihnen, größer und prächtiger. Sie schien auf etwas zu warten. Doch Roven konnte nur an das warme Blut in ihren Adern denken. Er wollte es, mindestens genauso sehr wie seine Bestie.
Zusammen griffen sie an. Das anmutende Geschöpf wehrte sich nicht, sondern ließ sich auf den Boden werfen und die Kehle durchbeißen, ertrug die Tortur.
Und endlich spürte Roven die warme Flüssigkeit auf der Zunge –Blut. Er wusste es, obwohl es nicht nach Blut schmeckte. Der Schotte hatte in seinem Leben nie solch kostbares Getränk zu sich nehmen können. Dennoch glaubte er, dass man es am ehesten mit einem wertvollen Met vergleichen konnte – vollmundig, fruchtig und absolut berauschend.
Seine Bestie und er tranken in gierigen Zügen und gaben sich dem Geschmack und der Macht hin, die der
Weitere Kostenlose Bücher