SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
Lebenssaft auf sie ausübte. Roven stöhnte. Zu köstlich. Einem Elixier gleich durchflutete es den Körper des Löwen und erfüllte sie beide mit Leben. Unmengen liefen durch ihre Kehlen, bis der Hunger gestillt und ihre Sinne, einer Offenbarung gleich, vollkommen berauscht waren.
Das Ungetüm schlief mit vollem Magen ein und Roven fühlte sich, als würden tausend Nadeln in seine Haut stechen. Er hatte weder Lust zu schlafen noch sich weiter dem Willen dieses Tieres zu unterwerfen, wollte die Kontrolle zurück, wieder über sein Leben bestimmen und nicht länger in ihrem Inneren gefangen sein.
Soweit Roven das durch die weiß schimmernden Iriden der Bestie erkennen konnte, lagen sie noch immer am Strand. Auf der Meeresoberfläche spiegelte sich ein schwaches Mondlicht wider und die Wellen gelangen nur schwerfällig ans Ufer. Außer dem steten Rauschen und der Dunkelheit gab es nichts, das Roven entdecken könnte.
Er versuchte, seine Hand zu bewegen.
Der Löwe knurrte im Schlaf und erinnerte ihn daran, dass dies nicht möglich war.
Wie sollte er ein Wesen bezwingen, wenn er seinen Körper nicht einsetzen konnte. Wäre sein Bewusstsein stark genug, gegen ihres anzutreten ? Sie überhaupt zu finden?
Roven konzentrierte sich auf den Geist, der ihn durchströmte. Auf die Stärke seines Verstandes. Und versuchte, ihn zu beschwören und nach vorn zu zwingen. Eigentlich wusste er nicht einmal ansatzweise, was er tat. Und es dauerte Ewigkeiten, bis er die Hoffnung gewann, eine Chance zu haben.
Als er ihr Bewusstsein aufspürte, zeigte sich ihm eine angsteinflößende Kriegernatur, die sein en Verstand als Eindringling wahrnahm, sich mordgierig auf ihn stürzte und Roven zurückdrängen wollte.
Doch dieses Mal nicht.
Die Bestie riss an seinen Nerven, blendete ihn, trieb seinen Verstand in den Wahnsinn und versuchte alles, um ihn einzuschüchtern. Er schrie und sie brüllte. Und irgendwie schaffte Roven es, an ihr vorbei zu gelangen und die Oberfläche zu erreichen.
Sein Körper wurde plötzlich von heftigen Schmerzen erschüttert. Er spürte Fänge, Klauen und einen Schwanz am Ende seiner Wirbelsäule. Fell bedeckte seinen Leib, rieb aneinander und verursachte ihm eine Gänsehaut. Die Knochen dieses Körpers befanden sich in einer vollkommen ungewohnten Stellung. Das war nicht richtig, er besaß noch immer ihre Gestalt und erlitt unmenschliche Qualen. Muskeln rissen, Adern platzten und Knochen brachen. Er spürte, wie sich ihre Klauen langsam zurück durch das Fleisch zogen. Die Fänge wurden kürzer, verschwanden im Zahnfleisch seines Oberkiefers. Und die Knochen fanden eine neue Form. Der Schwanz verzog sich ins Rückgrat. Das Fell verschwand in Rovens Haut.
Der Akkadier versuchte, das heftige Zittern dieses Körpers zu ignorieren. Schweißbedeckt und fürchterlich sensibel wagte er es nicht, seine Haut zu berühren oder sich überhaupt zu bewegen. Schon der Sand unter ihm ließ ihn vor Schmerz zusammenzucken. Als er den Mut fand, seine Augen zu öffnen und an sich hinunter zu blicken, entfuhr ihm ein Keuchen. Dies war nicht sein Körper – ohne Zweifel wirkte er menschlicher, als der de s Löwen. Doch solche Ausmaße hatte er früher nie besessen.
Roven ließ seinen Kopf zurückfallen. Sollte er tatsächlich gesiegt haben? Waren all die Schmerzen überstanden? Er sehnte sich danach zu schlafen, sich endlich einmal auszuruhen. Aber die Bestie könnte dies ausnutzen und ihn wieder verdrängen, ihm seinen Körper nehmen. Also blieb er liegen und ignorierte die Müdigkeit, schaute in den Nachthimmel und versuchte, das wütende Brüllen in seinem Kopf zu überhören.
Heute gab es kein Brüllen, kein Knurren, kein Aufbegehren. Und Roven gestand sich in diesem stillen Moment der Einsamkeit ein, dass er sie vermisste. Naham gehörte zu ihm. Sie war seit damals ein Teil von ihm und in fast siebenhundertfünfzig Jahren zusammen mit ihr hatte er gelernt, sie zu lieben.
Vor Jahrhunderten war sie seine Rettung gewesen. Doch in Bezug auf Selene schien die Bestie sein Verderben zu sein. Aber ein Leben ohne sie war für Roven nicht vorstellbar – nicht einmal, wenn es möglich wäre.
Er mochte die Laute, die sie von sich gab. Wenn sie knurrte, grunzte oder brüllte, erinnerte er sich daran, was für ein wunderschönes Wesen sie war. Er verehrte ihre Wildheit und obwohl sie sich nach dem Töten sehnte, wusste Roven, dass sie ein reines Herz besaß. Die Ewigkeit hatte sie zusammengeschweißt. Und selbst jetzt, während sie
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