SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
schlief, bewahrte sie ihn vor dem Tod. Doch würde sie ihn je mit einer Frau teilen können?
„Um Himmels willen! Mein Herr, was ist passiert?“ Adams Stimme vernahm der Akkadier nur sehr schwach, doch er klang aufgebracht. „Jason! Jason! Du musst Hilfe rufen!“
Sein Herz schlug unregelmäßig, langsam, und schickte anstelle des Blutes nur Schmerzen durch Rovens Adern. Doch mittlerweile glaubte er, dass diese Gefühle nicht von der Wunde verursachte wurden. Etwas, dass er sich nicht eingestehen wollte, erdrückte ihn. Es gab jemanden, der ihm fehlte. Und das bereitete Roven größere Sorgen als die Frage, ob es ein anderer Akkadier rechtzeitig hierher schaffen würde, um ihn zu heilen.
Selene in die Arme zu schließen, hatte sich so richtig angefühlt. Diese ewige Unruhe ihn ihm war erloschen, einfach so, und stattdessen hatte ihn Zufriedenheit erfüllt, als ob ihre Nähe ihm Halt spendete. Und nachdem er sie ins Bett gebracht und sich dazu gezwungen hatte, sie aus der Umarmung zu entlassen, befürchtete er, sie in einen Abgrund zu stürzen. Roven war versucht gewesen, ihre Tränen fortzuwischen und sich zu ihr zu legen. Damit sie nicht allein war.
Obwohl er den Grund ihrer Trauer nicht kannte, gab er sich die Schuld daran. Es tut mir leid , war der letzte Gedanke, bevor die Schwärze ihm die Sicht nahm.
Heiliges Blut flutete Rovens Kehle und ließ Naham erwachen. Der Akkadier ergriff den Arm, der ihm an den Mund gehalten wurde, und trank in vollen Zügen. Sein Tier dankte es ihm.
Er spürte, wie das Blut seine Venen mit neuem Leben füllte und die Wunde in seinem Bauch zu kribbeln begann. Roven versuchte zu erkennen, zum wem dieser Arm gehörte. Der Ärmel eines hellen Strickpullovers war hochgekrempelt worden, um ihm die Pulsader darzubieten. Am Kragen folgte ein Stiernacken, der die Sehnen und Muskelstränge darunter zur Schau stellte. Der Hals, nicht minder breit, führte zu einem spitzen Kinn, schmalen Lippen, die Nase zu den mandelförmigen Augen, die von vollem Schwarz beherrscht wurden. Der kahl geschorene Kopf vervollständigte Rovens Verdacht – Ju.
Verdammt!
Es gab nicht viele Akkadier, vor denen Roven sich geniert hätte. Doch Thanju stand ganz oben auf der Liste. Und die Art und Weise, wie der Tibeter seine Augen verengte, als Roven ihnen begegnete, ließ nichts Gutes verheißen. Jus Kiefer spannten sich an – damit war das Limit an äußerlichen Reaktionen, die seine Unzufriedenheit widerspiegelten, auch schon erreicht. Dass in diesem Akkadier eine blutrünstige Bestie schlief, hatte Roven ihm tatsächlich noch nie angesehen. Jus Grad an Selbstkontrolle übertraf alles.
„Akkadier“, sprach er heiser, wobei sich seine Lippen kaum bewegten. Schon zu Lebzeiten waren die Stimmbänder des Tibeters durch eine Schnittwunde im Hals schwer beschädigt worden und auch seinen asiatischen Akzent hatte er bis heute nicht abgelegt.
Roven zog seine Fänge zurück, ließ den Arm los und versuchte, das befriedigte Leuchten seiner Iriden zu unterdrücken. Dieses akkadische Blut würde seinen Körper vom Gift der Königin säubern, sodass die Bestie Rovens Wunde heilen konnte. „Danke.“
„Hast du sie getötet?“ Eine einfache Frage, die aus Jus Mund die Bedeutung einer Drohung erhielt.
„Ja.“ Roven musste sich räuspern. „Alles beseitigt, was anwesend war.“ Du bist so ein schlechter Lügner!
Im Antlitz seines Bruders regte sich kein einziger Muskel. Ob das zu bedeuten hatte, dass Ju ihm die Antwort abkaufte oder nur momentan noch keinen Bedarf verspürte, Roven zur Rede zu stellen, wusste dieser nicht.
„Du solltest jetzt ruhen. Wir reden später.“
Der Tibeter erhob sich. Roven hatte vergessen, wie verdammt groß er doch war. Ju krempelte den Ärmel hinunter, strich ihn glatt, bis er mit dem linken übereinstimmte, und marschierte barfuß zur Tür. Nur an der äußersten Stelle seines Hinterkopfes wuchs schwarzes Haar, das zu einem einzelnen Zopf geflochten war, ihm bis zur Hüfte reichte und sich dennoch kaum bewegte, wenn er ging.
Dunkelheit umgab ihn. Die Augen der Bestie, mit denen Roven selbst in schwärzester Finsternis gut sehen konnte, versagten. Nicht einmal seine Hände konnte er erkennen.
Unter sich fühlte er kalten Stein, es roch modrig. Feuchte Luft legte sich auf seine Haut. Der Akkadier war von Verwesung und Tod umgeben, roch getrocknetes Blut.
Plötzlich fing sein Herz an zu rasen. Ein Schrei drang an seine Ohren. Ohne darüber nachzudenken, lief er los, raste
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