SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)
und richtete sich auf.
Roven setzte sich zu ihr aufs Bett und platzierte das Tablett über ihrem Schoß. „Wenn das nichts für dich ist, kann ich dir auch gern etwas anderes zubereiten.“
„Nein, nein. Das ist toll.“ Sie sah ihn an und streichelte seine Wange. „Du bist toll. Ich danke dir.“ Er lächelte stolz und diese kleinen spitzen Eckzähne lugten hervor.
Selene nahm die Gabel, teilte ein Stück Rührei ab, spießte es auf und führte es in ihren Mund, während Roven ihr wie gebannt dabei zusah.
„Mhm!“, summte sie übertrieben laut und musste anfangen zu lachen, als Roven argwöhnisch die Augen zusammenkniff. „Nein. Es schmeckt wirklich gut!“
Selene biss vom Toast ab, nahm noch ein Stück Rührei und aß ihm etwas vor, spülte gelegentlich Tee hinterher und fühlte, wie sie langsam wieder zu Kräften kam.
„Wie geht es dir, Naiya ?“, fragte er mit sorgenvoller Miene, strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und klemmte sie hinter Selenes Ohr, als würde er tagtäglich nichts anderes tun.
Richtig, sie hatte ihm davon erzählt. Und er hatte es verstanden. Aber es überraschte sie auch nicht, dass gerade Roven wusste, was sie wann brauchte. Und plötzlich fiel ihr auf, wem sie hier gegenübersaß. Was für ein Wesen das war, ein quasi magisches Wesen, das den Tod betrogen hatte. Selene saß einem Menschen gegenüber, der etwas für sie Unmögliches erlebt hatte, der ihr bewies, dass es so viel mehr als die Realität gab, als ihre Realität, als alles, woran sie bislang geglaubt hatte.
Ihr Herz wurde schneller. Eine Frage drängte sich auf. Und Selene fürchtete den Kloß im Hals, den sie beim Stellen derselben bekäme.
„Roven?“
Der Akkadier straffte die Schultern und legte den Kopf schief – er ahnte etwas.
„Wie ist das, wenn man stirbt?“ Den Anflug von Zittern spülte Selene mit Tee hinunter.
Sein Kiefer spannte sich an.
„Ich denke …“ Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schubste einen imaginären Krümel von der Bettdecke. „Ich denke, dass das jeder anders empfindet. Ich bin im Krieg gestorben, durch das Schwert eines Feindes. Es ist schmerzhaft. Aber dank des Adrenalins im Körper nimmt man das nicht so wahr. Du weißt nur, dass du jetzt stirbst und empfindest entweder Angst oder Ruhe, denke ich.“
Selene schaute in ihre Tasse, spürte seinen Blick auf sich.
„Wenn man stirbt, dann ist alles zu Ende“, begann sie und schweifte ab. „Weißt du? Ich meine, es hört einfach auf. Du hast keine Chance mehr. Der Tod holt dich und beendet dein Bewusstsein, einfach so – für den Rest der Ewigkeit. Und dann? Dann wartet man? Ewig? Ich kann mir das nicht vorstellen. Die Welt dreht sich weiter. Kinder und Enkel leben ihr Leben, und man selbst? Man steht im Dunkeln und erträgt die Leere um einen herum, weil es nichts mehr gibt? Für den Rest der Ewigkeit?!“
„Nein“, sagte er. „So ist es nicht.“
Sie trank einen Schluck und blickte auf den linken Bettpfosten.
„Woher willst du das wissen? Du bist zwar gestorben, aber das Jenseits, oder wie man das auch immer nennen will, das kennst du doch nicht.“
„Ich weiß, aber …“ Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Roven den Kopf schüttelte. „Keine Ahnung, ich denke, so ist es nicht. Es gibt eine andere Bewusstseinsebene. Da bin ich mir sicher.“
„Mhm.“ Selene schluckte den Kloß hinunter. „Ich hatte aus irgendeinem dämlichen Grund gehofft, du könntest mir vielleicht mehr erklären.“
„Als Unsterblicher macht man wenig Erfahrung mit dem Leben nach dem Tod.“
„Klar.“ Selene versuchte zu lächeln, nahm einen Schluck und hoffte, er hatte die Enttäuschung in ihrer Stimme nicht bemerkt. Was hatte sie auch erwartet? Einen Unsterblichen nach dem Tod zu fragen war töricht. Warum sie in diesem Moment so sehr nach einer Antwort verlangte, wusste sie selbst nicht. Vielleicht erwartete Selene zu viel von dieser neuen Welt.
Mum. Für einen kurzen Moment hatte sie tatsächlich geglaubt, es gäbe eine Möglichkeit zu erfahren, wie es ihrer Mutter ging. Absurd.
„Ich glaube, ich brauche Zeit zum Nachdenken … und frische Luft“, gab sie zu und sah ihn endlich wieder an. Es fiel Selene schwer, Rovens Augen zu widerstehen. Aber in den letzten Tagen hatte es in ihren Gedanken nur noch ihn gegeben. Sie musste sich darüber klar werden, was sie selbst wollte, und wie weit sie bereit war zu gehen.
„Draußen scheint die Sonne“, sagte er und zog die Augenbrauen zusammen. Als müsste das ein
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