Seelengrab (German Edition)
schwarzem Kaffee.
„Achim Noack“, stellte er sich vor und streckte Hirschfeld umständlich seine Linke entgegen. „Willkommen in Bonn, Lutz.“
Der Hauptkommissar drückte die dargebotene Hand zögerlich, um sich schnell wieder aus dem ungewohnten Griff zu lösen. Das erste Zusammentreffen mit seinem direkten Vorgesetzten hatte er sich anders vorgestellt. Der Leiter des Kriminalkommissariats 11 lächelte entschuldigend und bedeutete Hirschfeld, ihm zu folgen. Als sie eine große Glastür erreicht hatten, fingerte Noack ein ausgebeultes Lederportemonnaie aus seiner Jacketttasche und hielt es mit dem transparenten Außenfach auf der Rückseite, in der eine weiße Zugangskarte steckte, vor ein Lesegerät. Als die LED-Lampe grün aufleuchtete, öffnete sich die Tür lautlos. Der Leiter des KK 11 führte Hirschfeld durch einen breiten Flur, der mit Stäbchenparkett ausgelegt war. Sie passierten einen Durchgang und ließen drei nebeneinanderliegende Personenaufzüge zu ihrer Rechten hinter sich.
„Wir müssen nur ein Stockwerk höher“, erklärte Noack und steuerte auf eine frei stehende Treppe zu. „Genieß die Aussicht.“
Sie befanden sich in einem gläsernen Flur des fünfgeschossigen Gebäudes aus Stahl und Beton. Als sie die Treppe hinaufstiegen, konnte Hirschfeld einen Blick in das Atrium werfen. Zu dieser Jahreszeit war der Innenhof nur spärlich bewachsen. Auf der ersten Ebene angekommen erreichten sie nach ein paar Schritten einen lang gestreckten, weiß gestrichenen Flur, der den gläsernen Hauptgang kreuzte.
„Ich bitte um Nachsicht, dass ich mich nicht mit Förmlichkeiten aufhalte, aber die Zeit drängt ein wenig“, fuhr Noack im Gehen fort. Bei jedem Wort tanzte sein grauer Schnauzbart auf und ab. „Die Kriminaldirektorin hat in 20 Minuten kurzfristig eine Unterredung mit dem Polizeipräsidenten und ist danach bei einem Auswärtstermin. Aber sie hat darauf bestanden, dich vorher noch persönlich zu begrüßen.“
Hirschfeld versuchte, das Tempo zu halten, und wunderte sich, dass der Kaffee in Noacks Becher noch nicht übergeschwappt war.
Der Leiter des KK 11 öffnete eine der Verbindungstüren erneut mit seiner Chipkarte. Vom Flur gingen mehrere Räume ab. Ein beigefarbener, gemusterter Teppichboden schluckte ihre Schritte. Irgendwo in der Nähe waren gedämpfte Stimmen zu hören.
„Ich bin nicht beleidigt, wenn Frau Richter heute keine Zeit für mich hat“, erwiderte Hirschfeld.
„Keine falsche Bescheidenheit, die Zeit muss sein. Die Kriminaldirektorin hat sich im Vorfeld sehr intensiv mit deinem Werdegang in Berlin beschäftigt. Deine Karriere ist beispiellos. Wir setzen große Erwartungen in dich und deine Arbeit.“
„Danke, jetzt fühle ich mich schon viel wohler in meiner Haut.“
„Sicher“, entgegnete Noack abwesend, öffnete mit der Schulter eine Zwischentür, die ohne elektronisches Zugangssystem auskam, und ließ ihm den Vortritt.
Hirschfeld war nicht sicher, ob der Erste Kriminalhauptkommissar die Ironie verstanden hatte.
Nach ein paar Metern blieb Noack vor einer Tür stehen und klopfte an.
„Treten Sie ein!“, drang es aus dem Inneren des Büros.
Noack kam der Aufforderung nach, Hirschfeld folgte ihm und schloss die Tür hinter sich.
„Die Kriminaldirektorin erwartet Sie bereits“, nahm Richters Sekretärin sie in Empfang und wies mit der Hand auf eine weitere Tür. „Sie können gleich durchgehen.“
„Ich freue mich, dass Sie zu uns nach Bonn gefunden haben, Herr Hirschfeld.“
Die Kriminaldirektorin kam ihnen mit ausgestreckter Hand entgegen.
Sie war hinter ihrem ausladenden Schreibtisch aufgestanden und gab erst Hirschfeld und dann Noack die Hand, der sich immer noch an seinem Kaffeebecher festhielt.
Die Leiterin der Direktion Kriminalität war zierlich und reichte Hirschfeld gerade einmal bis zur Brust. Trotzdem strahlte sie eine natürliche Autorität aus. Sie hatte dunkelbraunes, kinnlanges Haar, das von feinen grauen Strähnen durchzogen war. An diesem Tag hatte sie sich für ein schlichtes graues Kostüm mit schwarzen Pumps entschieden und war dezent geschminkt. Bis auf einen Ehering trug sie keinen Schmuck. Hirschfeld schätzte Edith Richter auf Mitte 50, auch wenn sie deutlich jünger aussah.
„Vielen Dank“, entgegnete Hirschfeld schlicht und erwiderte das warme Lächeln, das die Kriminaldirektorin ihm geschenkt hatte.
„Darf ich vorstellen? Das ist Kriminaldirektor Ernst Friedrich Schumacher, Leiter der
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