Seelengrab (German Edition)
zweifarbige Augen?“, stieß Hirschfeld hervor und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
„Ja, ein grünes und ein blaues“, bestätigte Winkler, verwundert über Hirschfelds plötzlichen Ausbruch.
„Rache“, sagte Hirschfeld mehr zu sich selbst, „das Motiv ist Rache.“
Er starrte Winkler einen Augenblick an, dann fragte er:
„Winkler, denken Sie nach! Wissen Sie von jemandem, der besonders unter Margot Krämer gelitten hat?“
Winklers Blick verdüsterte sich. Er schwieg eine Weile, zuckte schließlich mit den Achseln und erwiderte:
„In der Hölle denkt jeder, er sei allein.“
Dann verfiel er wieder in Schweigen. Hirschfeld ließ ihm Zeit, obwohl seine Nerven bis zum Zerreißen gespannt waren. Sie mussten Marie Reichert finden!
„Aber ich erinnere mich an viele Kinder. Ich weiß nicht mehr, wie sie alle hießen“, fuhr Winkler nach einer halben Ewigkeit fort.
Hirschfeld nickte.
„Wir haben uns nicht solidarisiert. Jeder musste sehen, wo er blieb, und hat für sich selbst gekämpft. Außerdem hatten wir keine Chance. Ein paar von uns haben versucht, sich umzubringen, und sind dann in die Klapse gekommen. Mehr weiß ich nicht.“
„Danke“, verabschiedete sich Hirschfeld eilig und erhob sich von seinem Stuhl. Mehr würde er von Winkler nicht erfahren. Er musste Kirchhoff ins Bild setzen.
„Das Motiv ist Rache!“, rief er, als er wenig später das Büro betrat.
Kirchhoff runzelte die Stirn.
„Rache“, wiederholte er langsam.
Hirschfeld fasste seine Recherchen über Margot Krämer und sein Gespräch mit Winkler zusammen.
„Meinst du, eines der Kinder, die Margot Krämer …?“, fragte Kirchhoff.
„Ja, genau das meine ich!“
„Aber welches von ihnen?“
Hirschfelds Gedanken rasten. Er versuchte, die Puzzleteile zusammenzusetzen. Und plötzlich erinnerte er sich, wo er zum ersten Mal auf den Namen Margot Krämer gestoßen war. Nicht im Verhör mit Winkler. Er hatte den Namen gelesen …
„Wo wurde Susanne Bachs Auto sichergestellt?“, fragte er hastig seinen Partner.
Kirchhoff drehte sich um und fuhr mit dem Finger über den Stadtplan, der an der Wand hing.
„In der Nähe der Tapetenfabrik“, antwortete er und deutete mit dem Zeigefinger auf einen Punkt auf dem Straßennetz.
Hirschfeld stand auf, trat neben Kirchhoff und studierte einen Augenblick lang die Karte. Und mit einem Schlag wusste er, wer für die Morde verantwortlich war.
69
Nur wenige Kilometer trennten sie von ihrem Ziel. Dennoch zählte jede Sekunde, denn es gab keine Garantie, dass Marie Reichert noch am Leben war. Kirchhoff saß am Steuer des Audi A4 Quattro. Drei weitere Zivilfahrzeuge folgten ihnen.
Als Kirchhoff gerade von der Königswinterer Straße auf die St. Augustiner Straße abbog, klingelte Hirschfelds Handy.
„Ja?“, meldete er sich knapp.
„Hier ist Professor Walther“, erklang eine hohe Männerstimme mit österreichischem Dialekt in der Leitung. „Spreche ich mit Kriminalhauptkommissar Lutz Hirschfeld?“
„Das ist richtig. Schön von Ihnen zu hören, Professor.“
„Ich wollte Sie persönlich informieren. Mein Kollege, Professor Stein, hat mir die Dringlichkeit Ihres Falls geschildert. Aus diesem Grund habe ich die Untersuchung Ihrer Probe selbstverständlich vorgezogen.“
„Das wissen wir sehr zu schätzen. Wie lautet das Ergebnis?“
„Positiv“, antwortete Walther. „Sie lagen vollkommen richtig.“
„Gut. Darf ich Sie zurückrufen, wir stehen kurz vor dem Zugriff.“
„Freilich. Servus, Herr Hirschfeld, hat mich sehr gefreut.“
„Das Testergebnis ist positiv“, meldete Hirschfeld nach hinten, wo Jens Schröder saß.
„Wie bist du auf die Verbindung gestoßen?“, fragte der Leiter der Mordkommission.
Hirschfeld drehte sich auf dem Beifahrersitz um und antwortete:
„Ich bin noch einmal alle Fakten zum ersten Mord an Lena Zimmermann durchgegangen. Die Beerdigung von Margot Krämer passte für mich von Anfang an nicht ins Bild. Natürlich ist nichts Ungewöhnliches daran, dass Lena ihrer Großtante die letzte Ehre erwiesen hat. Deshalb habe ich Margot Krämer genauer unter die Lupe genommen. Sie hat über Jahrzehnte ein Kinderheim in Siegburg geleitet. Die Zeitungsartikel und die Anschuldigungen gegen sie haben mich schließlich auf die richtige Spur gebracht. Und besonders natürlich Jörg Winklers Bericht über die äußerliche Ähnlichkeit mit den Opfern.“
„Verstehe.“
„Hinzu kam“, fuhr Hirschfeld fort, „dass ich schon vorher die
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