Seelengrab (German Edition)
Verbindung zu Margot Krämer vor Augen hatte, ohne dass ich das begriffen habe.“ Er schüttelte unwillig den Kopf. Warum war er nicht früher darauf gekommen?
„Schließlich der Audi von Susanne Bach, mit dem sie entführt wurde und der ganz in der Nähe der Wohnung abgestellt worden ist“, ergänzte Kirchhoff.
Schröder nickte.
„Wurde Margot Krämer jemals rechtlich belangt?“, erkundigte er sich.
„Nein, das ist es ja gerade. Vielmehr wurde ihr Lebenswerk in den höchsten Tönen gelobt. Ihre Taten waren verjährt und offiziell wagte niemand mehr, ihren guten Ruf in Frage zu stellen.“
„Das ist bitter. Und in der Tat ein triftiges Motiv, wenn die Geschichten wahr sind“, erwiderte Schröder und stützte seinen Ellenbogen auf die Lehne des Fahrersitzes.
„Das Problem ist nur, dass die Mädchen nicht dafür verantwortlich sind“, murmelte Kirchhoff, während er einen kurzen Blick in den Rückspiegel warf.
„Richtig“, stimmte Hirschfeld zu. „Allerdings haben wir es hier mit einer hochgradig psychisch gestörten Person zu tun. Da gelten die Regeln der Logik nicht mehr.“
„Für mich zählt nur noch, dass wir Marie lebend finden. Alles andere ist zweitrangig“, erwiderte Kirchhoff.
Den Rest der Fahrt über schwiegen die Männer und konzentrierten sich auf den Einsatz. Als Kirchhoff wenig später den Audi parkte, sprangen die Männer aus dem Wagen, umrundeten das Fahrzeug und traten an den Kofferraum, aus dem sie sich kugelsichere Schutzwesten holten. Hirschfeld verkabelte sich und steckte den In-Ear-Kopfhörer des Funkgeräts in sein rechtes Ohr.
Ein muskulöser 1,90-Meter-Mann kam breitbeinig auf sie zu. Die schweren Springerstiefel mit Schienbeinschonern verursachten kein Geräusch auf dem Asphalt. Über einem anthrazitfarbenen feuerfesten Einsatzoverall trug er eine ballistische Weste. Auf Brusthöhe war die Schwinge der Spezialeinheit Köln aufgenäht. Eine schwarze Sturmhaube verdeckte das Gesicht des Mannes und ließ nur einen schmalen Sehschlitz frei. Unter dem linken Arm, auf dem das Wappen der Polizei NRW prangte, klemmte ein schwarzer Titan-Schutzhelm mit einem durchsichtigen Visier. In seinem Halfter steckte eine Sig Sauer P228. Die Ausrüstung wurde durch eine Heckler & Koch MP5 vervollständigt, die an einem Lederriemen über seiner Schulter hing.
Schröder schüttelte dem Leiter des SEK-Teams die Hand.
„Wir sind bereit“, klang sein Bass dumpf unter der Maske hervor.
Hirschfeld musste bei diesem Satz an den Leitspruch des Spezialeinsatzkommandos denken: Wir gehen den schweren Weg, … das Team kommt an.
„Gut, wir brauchen die Zielperson lebend!“, erwiderte Schröder.
„Das ist der Plan“, entgegnete der SEKler ernst.
Die beiden Vorgesetzten wechselten noch ein paar Worte, während sich weitere Beamte in ähnlicher Montur zu ihnen gesellten. Der Einsatz des Spezialeinsatzkommandos war unerlässlich. Schließlich wussten sie nicht, was sie in der Wohnung erwartete.
Mit einer Handbewegung bedeutete der Leiter des SEK einem Beamten, sich Zutritt zum Wohnhaus zu verschaffen. Der Mann drückte auf eine Klingel, die zu einer der unteren Appartements gehören musste. Als sich eine junge Frauenstimme meldete, sagte er in die Gegensprechanlage:
„Polizei! Öffnen Sie sofort die Haustür und bleiben Sie in Ihrer Wohnung!“
Die Frau schwieg, dann betätigte sie den Türöffner. Die SEKler übernahmen die Vorhut, die Zivilbeamten der Kripo folgten dichtauf. Als sie den Aufzug nahmen, sah Hirschfeld das Wohnhaus an diesem Abend mit anderen Augen. Nichts schien mehr von der Sorglosigkeit übrig geblieben zu sein, die er noch vor ein paar Tagen im Hausflur erlebt hatte. Nachdem sie den achten Stock erreicht hatten, teilte sich das SEK-Team auf. Jeweils fünf Männer formatierten sich zu einer Gruppe und klappten die Visiere ihrer Helme herunter. Nach einem kurzen Handzeichen löste sich das erste Team, dessen Vordermann ein Schutzschild dicht vor dem Körper hielt, von seiner Position. Wie in einer einzigen Bewegung liefen die Beamten mit gezogener Waffe lautlos durch den Gang und sicherten den Hausflur nach allen Seiten. Das zweite Team, dem auch der hochgewachsene Einsatzleiter angehörte, schloss ebenso perfekt choreografiert auf. Als sich die beiden Gruppen rechts und links neben der Wohnungstür aufgestellt hatten, trat einer der Beamten aus der Reihe. In der Hand hielt er eine Stahlramme. Die Kripobeamten rückten nach, hielten sich jedoch in sicherem Abstand.
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