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Seelenhüter

Seelenhüter

Titel: Seelenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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großartigen Verdienste dann noch. Keine der Seelen, die er über die Passage eskortiert hatte, würde sich an ihn erinnern. Das geschehe, so hieß es, um Eitelkeit und Stolz vorzubeugen.
    Liam, Calders Lehrmeister, behauptete dagegen, es sei gar keine Bürde, denn mit dem Gang durch die Himmelspforte ersehne man nicht länger Anerkennung. »Du magst auf goldenen Straßen gehen und jede Seele besuchen können, doch deine vergangenen Taten werden irgendwann zu Geschichten, die nur in den Hallen der Begleiter weiterleben.« Der Schotte überragte Calder um eine Haupteslänge und lächelte auf ihn hinab. »Es wird dich aber nicht belasten.« Er gab seinem Schützling einen aufmunternden Klaps auf den Rücken. »Vertrau mir. Du wirst zufrieden sein.«
    Diese Erleuchtung schien Calder Welten entfernt, während er mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen dasaß und wartete, voller Furcht, der Captain könnte die Worte des Schauspielers über Glory verstanden haben. Selbst wenn er sie nicht gehört hatte, konnte er leicht in Calders Herz lesen. Doch als er kurz darauf in der Türöffnung erschien, stand er einfach nur still vor dem purpurfarbenen Himmel und lauschte dem Seelenhüter, der wie jede Nacht die Sieben Gebote rezitierte. Bevor dieser anhob, einen Psalm zu singen, stellte ihm der Captain jedoch noch eine Frage.
    »Hat sich die letzte Seele gegen dich gewehrt?«
    Es waren bereits viele Jahre vergangen, seit eine Seele versucht hatte, Calder zu entkommen. Hatte der Captain ihn damals das Gleiche gefragt? Er konnte sich nicht erinnern.
    »Nein, er hat sich nicht gewehrt.«
    Mit Sicherheit spürte der Captain, dass etwas anders verlaufen war als erwartet – dass der Schauspieler unnötig gelitten hatte, weil Calder, da abgelenkt, seine Pflicht vernachlässigt hatte. So, wie es keinen friedvolleren Ort gab als den Gebetsraum, gab es nichts Besseres, als den Captain zufriedenzustellen. Nicht, dass dieser den Begleiter mit Lob überschüttete, wenn er seine Aufgabe gut gemeistert hatte, ihn im gegenteiligen Fall bedrohte oder ihm gar einen Verweis erteilte. Doch die unausgesprochene Anerkennung im maßvollen Blick des Captains erweckte in Calder den unbändigen Wunsch, noch besser zu werden. Der junge Seelenhüter wollte ihn um nichts in der Welt enttäuschen.
    Der Captain verfolgte den Tod des Schauspielers nicht weiter, sondern lauschte Calders Gesang mit der üblichen Ruhe:
    Mein Captain, mein Meister,
    Die Arbeit für heute ist getan.
    Allein in meiner Kammer,
    Bete ich und warte auf dich.
    Sei du der Weg vor mir.
    Sei du das Banner über mir.
    Sei du der Frieden in mir.
    Gott lobpreise ich,
    Dir übergebe ich mein Leben.
    Jeder lebenden Seele meine führende Hand,
    Jeder Tür meinen Schlüssel.
    Segne mich, während ich diese Nacht durchschreite,
    Mein Captain. So sei es.
    Danach sagte der Captain: »Sobald wir sie überwunden haben, machen uns die Kämpfe gegen die eigenen Schwächen nur stärker.«
    Calder erstarrte.
Er weiß, was ich getan habe. Dass ich wünschte, das Kind möge am Leben bleiben, dass der Schauspieler wegen mir leiden musste, dass ich an eine sterbliche Frau gedacht habe. Dass ich noch nie ein guter Seelenhüter war.
    »Du verstehst?«, fragte der Captain.
    »Ja«, erwiderte Calder. Er dachte kurz daran, Unwissen vorzutäuschen, verwarf den Gedanken jedoch schnell wieder. »Ich war mit den Gedanken nicht bei der Arbeit«, gestand er. »Vergib mir.«
    »Ich vergebe dir.« Der Captain legte wie jeden Abend eine Hand segnend auf Calders gebeugten Kopf und verließ den Raum.
    Der Seelenhüter verspürte tiefe Schuld, weil er nur die halbe Wahrheit erzählt hatte. Er hatte nicht bloß die Gedanken schweifen lassen, sondern auch eine Sterbliche als seine besondere Begleiterin begehrt. Das noch größere Geheimnis, nämlich dass er seiner Profession nicht würdig war, gab er ohnehin nicht preis, und so lag es kalt und schwer auf seiner Brust. Diese Lügen hätten ihm eine Warnung sein sollen, dass etwas nicht in Ordnung war. Doch er dachte, er würde Glory mit der Zeit vergessen.
    In jener Nacht meditierte er über die Ehre, ein Begleiter zu sein. Immer wieder Zeuge der Verwandlung von Seelen sein zu dürfen war ein unendlicher Reichtum. Konnte es etwas Schöneres geben als die Passage in den Himmel und die Gestade des Großen Flusses? Glory war nur einer von vielen schönen Anblicken, die sich ihm auf seinem Weg geboten hatten. Das tröstete ihn.
    Bis zum nächsten Morgen, als er sie

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