Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
wunderbaren Zustand, wenn der Verstand vollkommen schwerelos scheint – bis die Wirklichkeit mir mit der Stimme Guljakins mitteilt, dass die Großhändler jetzt vollzählig versammelt seien. Ich springe auf, als hätte jemand einen Knopf auf meinem Rücken gedrückt, unter dem ein Schildchen mit der Aufschrift »Hass« angebracht ist.
Die Großhändler sind die verabscheuungswürdigsten Glieder in der Kette aus Kauf und Verkauf. Sie werden nicht einen Großhändler finden, der sich wirklich darum kümmert, den Absatz Ihrer Waren in seinem Verantwortungsbereich zu fördern. In der Regel setzt sich sein Sortiment aus allen möglichen Produkten derselben Warengruppe zusammen, die nicht selten miteinander konkurrieren. Die Großhändler rechtfertigen dies mit den angeblichen Erfordernissen des Marktes, auf dem immer der Händler mit dem breitesten Sortiment am besten dasteht. Gegen diese Einstellung ist kein Kraut gewachsen. Man kann einen Großhändler
nicht mit der Philosophie des Brand-Managements infizieren. Seine einzige Philosophie ist der schnelle Profit. Die Idee einer langfristigen Zusammenarbeit mit einem bestimmten Großhändler, der Aufbau einer festen, zukunftsträchtigen Partnerschaft und gemeinsamen Erschließung des Marktes ist reine Utopie. Deine Zukunft ist ganz schnell vorbei, wenn deinem Großhändler ein Produkt derselben Warengruppe unterkommt, das ihm größeren Profit verspricht, auch wenn es qualitativ schlechter ist. Möglich ist es allerdings auch, dass so ein Großhändler sich ein Häuschen in Spanien gebaut hat, Knall auf Fall seine Firma verscherbelt und sich ans Mittelmeer verzieht. Eines der wenigen probaten Mittel gegen diese Praktiken ist es, einen eigenen Vertreter in der Region einzusetzen, der direkt mit den Kunden in Kontakt tritt. Möglich ist auch, Angestellte des Großhändlers gezielt zu bestechen, um so den Verkauf der eigenen Waren zu befördern. Aber es gibt keine Garantie dafür, dass diese Angestellten nicht mit allen Produzenten das gleiche Spielchen spielen; so wie es ihre Chefs auch tun.
Da sitzen sie also im Konferenzzimmer, zehn Nasen an der Zahl, zwei von jeder Firma. Während wir unsere Visitenkarten austauschen, unterhält sich Guljakin mit einigen von ihnen über irgendwelche belanglosen Dinge. Die Atmosphäre ist ziemlich angespannt. Von mir abgesehen wirken nur zwei der Anwesenden ruhig und gelöst: der Geschäftsführer der Firma Impuls und sein Marketingchef. Die beiden sind die Vertreter unseres wichtigsten Großhändlers. Diese Typen sind immer und überall die Gleichen. Selbstzufriedene und von sich überzeugte Arschgesichter in billigen Anzügen und geschmacklosen Krawatten, die dir mit ihrem
ganzen Gebaren deutlich zu verstehen geben, wie sehr du von ihnen abhängig bist.
Ganz am Ende des Tisches sitzen die Gesandten der beiden kleinsten Firmen. Sie trinken nervös Kaffee und schielen neidisch auf ihre Kollegen von der Konkurrenz. Ihnen ist klar, dass alles, was hier gesagt wird, für sie selber die geringste Rolle spielt. Sie wissen, dass sie keinen neuen Geldsegen zu erwarten haben – im Gegenteil, sie hoffen nur, dass man ihnen nichts wegnimmt. Genau genommen wurden sie nur der Höflichkeit halber eingeladen, als gnädige Geste denen gegenüber, die die Krumen vom Boden aufsammeln. Sie sitzen alle vier mit traurigen Hundeaugen nebeneinander und unterhalten sich halblaut, während die großen Fische mit sonorer Stimme durch den Raum trompeten und schallend lachen. Aber ich habe nicht das geringste Mitleid mit dieser bejammernswerten Brut. Ihre kriecherischen Blicke, mit denen sie mir zeigen wollen, wie eifrig sie sich um unsere Produkte kümmern, bestärken mich einmal mehr in meiner Überzeugung, dass sie nur darauf gieren, mit denen, die jetzt die erste Geige spielen, die Plätze zu tauschen. Und dann werden sie sich noch dreister und noch selbstgefälliger aufplustern, aus Rache für die Zeit, in der sie die Rolle der Spatzen unter den Tischen der Bessergestellten spielten. Ich wünsche ihnen einen raschen Bankrott, sonst nichts, genau wie den anderen in der Runde auch.
Dessen ungeachtet eröffne ich die Besprechung mit der Würdigung der Erfolge des vergangenen Geschäftsjahrs in der Region und schaue diese vier an, als handele es sich dabei um ihr ganz spezielles Verdienst. Am höchsten Punkt
meiner Lobeshymne, als sie schon ganz aufrecht auf ihren Stühlen sitzen und sich unter den verdatterten Blicken der Übrigen fast schon bedeutsam und
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