Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
Vom Netzwerk:
wichtig fühlen, beende ich den emotionalen Teil meines Vortrags und wende mich den großen Tieren in der Runde zu, von denen einige schon ungeduldig mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte trommeln. Jetzt spreche ich von den bevorstehenden Konkurrenzschlachten, hebe besonders die Rolle unserer beiden größten Partner hervor und vergesse auch nicht die Perspektiven unseres neuen Großhändlers zu erwähnen. Dessen Vertreter nicken und schreiben rasch etwas in ihre Notizbücher.
    Anschließend erläutert Guljakin das Marketingkonzept für die neuen Produktlinien, stellt auf einem Whiteboard grafisch die Entwicklung der Verbrauchernachfrage dar, erklärt die Vorzüge der neuen Produkte gegenüber den vergleichbaren der Konkurrenz, kurz, er bemüht sich nach Kräften, alle Anwesenden – mich inklusive – zum Gähnen zu bringen.
    Zum Abschluss der Konferenz fordere ich die Anwesenden auf, Fragen zu stellen. Die Frage, die zweifellos alle am brennendsten interessiert, ist die nach der Bereitstellung zusätzlicher Budgets für die Lancierung besagter neuer Produktlinien. Einer der Vertreter der kleineren Firmen möchte über bestimmte logistische Probleme sprechen, wird aber sofort ausgebremst. Die Probleme von Outsidern interessieren hier so wenig wie die Eigenschaften eines neuen Produktes.
    Nachdem der wichtigste Punkt geklärt ist, nämlich die Zusage weiterer Budgets, über deren Verteilung die Petersburger
Niederlassung wie üblich befinden wird, scheint der Geschäftsführer von Impuls endlich zufrieden. Er lacht wohlwollend und poltert »Warum nicht gleich so?« oder »Konnte man das nicht eher sagen?«. Guljakin geht willig auf den humorigen Ton ein und kichert meckernd: »Das haben wir fürs Dessert aufgehoben!« Das Meeting der Helden des Großhandels kommt zu seinem wohlverdienten Happy End. Die Impuls-Leute verabschieden sich eilig, indem sie irgendwelche wahnsinnig wichtigen Verhandlungen vorschieben, die anderen erheben sich etwas langsamer, jetzt wieder mit den Gesichtern zu Unrecht Verurteilter, und ich trete auf den Gang hinaus. Zuvor habe ich allerdings die Vertreter des zweitwichtigsten Großhändlers, die während der Besprechung mit unzufriedenen und etwas bösen Gesichtern an ihren Plätzen saßen, gebeten, noch etwas zu bleiben.
    Ich gehe zur Toilette und spritze mir wieder kaltes Wasser ins Gesicht, um endlich die penetrante Müdigkeit loszuwerden. Auf dem Rückweg durch die Diele begegne ich einem Delegierten der Kroppzeugtruppe, der mich höflich anhält, ein paar ergreifende Sätze über unsere wunderbare Zusammenarbeit absondert und mich dann zu einem sogenannten Geschäftsessen einlädt. Ich sage, ich hätte leider zu tun, lehne dankend ab und lasse ihn mit seinem Blick eines geprügelten Hundes stehen.
    Danach beschäftige ich mich noch eine halbe Stunde lang mit den Vertretern der Firma Trust-M. Dabei muss ich die ganze Zeit an O. Henry’s Erzählung »The Trust, That Has Burst« denken. Als wir uns voneinander verabschieden, sind alle vollauf zufrieden, zumal ich verspreche, nach meiner
Rückkehr nach Moskau die Budgetverteilung noch einmal zu überdenken. Wir schütteln uns die Hände, tauschen Telefonnummern aus und trennen uns. Einer von ihnen überreicht mir zum Abschied ein doppelt gefaltetes Blatt Papier und sagt: »Das ist für Sie, als Resümee des Gespräches.« Ich schaue das Blättchen verwundert an, dann schiebe ich es in die Innentasche meines Jacketts.
    Bevor ich das Büro verlasse, wechsle ich noch ein paar Worte mit Guljakin, der sich erkundigt, welchen Eindruck ich von der Konferenz habe und vorschlägt, zusammen essen zu gehen. Da ich den heutigen Abend schon verplant habe, verschiebe ich unser Rendezvous auf den morgigen Mittag (ganz entgehen kann ich ihm leider nicht) und stürze mich an die Front des Geschäftes.
    Das heißt, dass ich den Rest des Tages damit verbringe, die diversen Einzelhändler abzuklappern, all diese großen und kleinen Supermarktketten wie Lentam, Metro und wie sie alle heißen, die mich immer an orientalische Basare oder Sklavenmärkte erinnern. Hier herrscht dasselbe chaotische Gewühl und Gewimmel unzähliger Menschen, die mit teilnahmslosen Gesichtern Karren hin und her schieben, auf denen sich undefinierbarer Krempel türmt, ganze Pulks braver Familien, die in den Supermarkt fahren wie in ein Museum der schönen Künste, endlose Schlangen an den Kassen und überhaupt: nackter Wahnsinn überall.
    Nachdem die Verkaufsmanagerin Mascha mir

Weitere Kostenlose Bücher