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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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Deine paar Kröten kannst du dir meinetwegen noch zusätzlich in den Arsch jagen. Du hast hier keinen korrupten Verkehrspolizisten vor dir, und auch keinen von deinen Großhändlerspießgesellen. Wie du siehst, ist der Umschlag noch auf dem Tisch und nicht in meiner Tasche. Oder ist dir der Cognac in den Kopf gestiegen, dass du nichts mehr siehst?«
    Endlich flackert echte Angst in seinen Augen auf. Abwechselnd glotzt er mich und den Briefumschlag an. Jetzt versteht er wirklich nichts mehr.
    »Für deine drei Mille kann ich mir nicht einmal einen neuen Anzug kaufen«, fahre ich fort. »Damit kann ich ein paarmal essen gehen, wenn’s hochkommt. Hast du etwa gedacht, dass ich einmal im Monat in ein nettes Restaurant gehe und mich beim Essen in stiller Demut erinnere, wem ich mein Risotto verdanke? Was ist, wenn ich jetzt, zum Beispiel, Lust auf einen kleinen Trip nach Paris hätte? Da müsste ich ja noch was drauflegen. Tja, Wolodja, so sieht’s aus.«
    »Wie viel verlangst du?«, fragt er und schluckt trocken.
»Wie viel ich verlange …«, nachdenklich drehe ich eine Zigarette zwischen den Fingern und betrachte die Kellnerin, die am Tresen steht. Sie trägt einen eng anliegenden roten Rollkragenpulli, der ihre großen Brüste betont. Dieser rote Fleck ist für mich auf einmal der Mittelpunkt des ganzen Lokals. Ich überlege, dass ich es ganz reizvoll fände, sie näher kennenzulernen. Außerdem denke ich, dass ich diesem Zirkus ein Ende setzen muss. »Ich will fünfzehn Mille, Wolodja. US-Dollar, wohlgemerkt. Du hast doch insgesamt dreißig gemopst, oder sehe ich das falsch? Dann schiebst du mir also die Hälfte rüber. Fifty-fifty, das ist doch nur gerecht, oder?«
    Guljakin durchbohrt mich mit seinem Schweinsäugleinblick. Dann zischt er, fast ohne die Lippen zu bewegen:
    »Du kannst mir nichts beweisen.«
    »Ach nein? Wirklich nicht?« Ich fange an zu lachen.
    »Das Schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass man mir den Bonus streicht. Ich hatte schließlich keine Ahnung, dass Vektra eine Tochtergesellschaft von Impuls ist. Dass die Budgets nicht gleichmäßig verteilt wurden, ist nichts weiter als eine verzeihliche Nachlässigkeit. Eine falsche Einschätzung der Marktsituation, mehr nicht.«
    Alkohol und Wut haben seine Augen blutig anlaufen lassen, er sieht aus wie ein Stier in der Arena.
    »Wolodja, spiel hier nicht den Rambo. Ich muss dir gar nichts beweisen. Ich brauche nur ein bisschen mit den richtigen Hebeln zu spielen, dann liefert dich die Impuls in null Komma nichts ans Messer. Es kommt eben immer auf den richtigen Impulsgeber an. Hübsches Wortspiel, findest du nicht?«

    »Sehr hübsch, hmhm.« Wolodja macht immer noch auf stur, aber er ist sichtlich verunsichert, weil er nicht kapiert, worauf ich hinauswill.
    »Tja, alter Knabe, das muss dir doch klar sein. Wenn es um ihren eigenen Arsch geht, werden sie dich ratzfatz verkaufen. Trotz eurer gemeinsamen Saufgelage und Vögeleien. Da kann man sich noch so oft verbrüdern, oder meinetwegen gegenseitig in den Arsch ficken. Ich weiß ja nicht, was ihr da so treibt bei euren Geschäftsmeetings. Und dann ist der Ofen aus. Wir haben einen gut funktionierenden Ermittlungsdienst, wusstest du das nicht? Die Jungs werden so viele Beweise finden, wie ich will. Und dann wird dir der Arsch gegrillt, mein Lieber, verlass dich drauf! Da kommen direkt deine alten Familienängste wieder hoch, pass mal auf. Kapierst du’s jetzt langsam?«
    »Ich kapiere.«
    Wolodja denkt nach. Er kalkuliert seine Chancen, wägt meine Möglichkeiten ab. Man kann dabei zusehen, wie es unter seiner Schädeldecke arbeitet: Tiefe Falten furchen seine Stirn, die Kinnladen malen rhythmisch. Er hat nicht die geringste Lust, fünfzehn Riesen herauszurücken, aber noch weniger Lust, aus seinem schweinsledernen Direktorensessel katapultiert zu werden. Während er also nachdenkt, rauche ich in aller Ruhe eine Zigarette, verspeise mit Appetit meine Buletten und bestelle mir einen Kaffee.
    »Ich habe momentan keine fünfzehntausend flüssig«, quetscht er endlich heraus. »Ich habe die drei hier und dann noch fünf. Zwei kann ich mir irgendwo leihen …« Vor Anstrengung rollt er mit den Augen, endlich hat er begriffen, dass er richtig tief in der Scheiße sitzt. »Also muss ich
dir einen Fünfer schuldig bleiben. Eine andere Möglichkeit habe ich nicht.« Seine Stimme klingt auf einmal hart, und ich verstehe: Das ist das Finale. Es ist nicht ganz so tragisch, wie ich erwartet habe, aber

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