Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
scheißt und sich bequem in dieser faden Soße eingerichtet hat. Aber sag mir nicht, das sei die einzig richtige, seit Jahrhunderten unveränderlich festgelegte Lebensweise. Ich möchte nicht so sein wie du, und ich möchte nicht, dass meine Kinder so werden wie du.«
»So scheiße findest du mich also, sieh mal an. Und was genau ist so falsch an mir? Ich finde mich selber gar nicht so übel. Es gibt genug Leute, die an Alkohol und Drogen verreckt sind, bevor sie ihr dreißigstes Lebensjahr erreicht hatten. Ich dagegen bin gesund und munter.«
»Oh ja, klar! Du führst ein solides wohlbehütetes Leben. Wohlbehütet wie in einem Kühlschrank sowjetischer Fabrikation.
Du platzt ja förmlich aus den Nähten vor Selbstgefälligkeit. Worauf bist du eigentlich so stolz, verdammte Scheiße? Auf deinen Ford Focus? Auf deinen mickrigen Direktorenposten? Oder darauf, dass du dir dreißigtausend Grüne in den Arsch schieben lässt, während du gleichzeitig deine Office-Managerin vögelst? Nein, dich kann man nicht verändern, dein Bewusstsein hat exakt den Umfang dieses Kuverts hier mit den dreitausend Grünen. Man kann euch nicht ändern, euch kann man nur austauschen. Machen wir Schluss, Wolodja, unser Gespräch ist in einer Sackgasse gelandet. Ich habe keine Lust, meine Perlen vor deine Füße zu werfen.«
»Ich bin wirklich froh, dass es von deiner Sorte nicht allzu viele gibt, sehr, sehr froh«, sagt Guljakin und steht auf.
»Wo willst du hin, Wolodja? Zahl erst mal die Rechnung. Du kannst es dann ja von den Fünfzehntausend abziehen. Ach übrigens, als kleinen Bonus lasse ich dir den Bericht von der Trust-M hier. Da steht alles haargenau drin, über die Verflechtung von Vektra mit Impuls und die Verteilung der Budgets. Nimm es als Geste meines guten Willens.« Ich schiebe ihm die Kopie zu.
»Was soll das denn schon wieder heißen?«
»Das soll heißen, Wolodja, dass dieses kleine krumme Spielchen vorbei ist. In diesem Jahr wird das Budget nicht auf russische Art verteilt, wie du das nennst, sondern paritätisch. Also sechzigtausend für jeden. Und vergiss nicht, ihnen außerdem die fünftausend für die neuen Produktlinien zu überweisen.«
Guljakin setzt sich wieder hin. Mit stumpfem Blick glotzt er abwechselnd mal mich, mal den Bericht an.
»Also dann, Wolodja, solltest du gelegentlich in Moskau sein, ruf an. Und bis Freitag will ich den neuen Budgetplan auf dem Tisch liegen haben, okay? Und noch etwas. Dieser Bericht ist eine Kopie. Nur damit du Bescheid weißt.«
Damit verlasse ich das SSSR. Ich habe das Bedürfnis, mir gründlich die Hände zu waschen.
Das Onegin
Als Vadim und ich das Onegin betreten, drehen sämtliche Mädchen in dem Club den Kopf in unsere Richtung. Nein, wir haben keine extraordinären Beulen in den Hosen. Wir sind auch keine überirdisch schönen Apollos. Wir haben einen anderen unbestreitbaren Vorzug. Wir sind Moskauer, und das ist hier gleichbedeutend mit dem Besitz von Firmen-Kreditkarten, welche uns in die Lage versetzen, die Damen unserer Wahl großzügig mit Drinks und Drogen zu versorgen. Glauben Sie mir, in Petersburg ist es vorteilhafter, ein betuchter Moskauer zu sein als ein Apollo.
Wir bestellen zwei doppelte Chivas Regal auf Eis, stecken uns Zigaretten an und positionieren uns so, dass wir den Saal überblicken können. Der Laden ist ziemlich voll, aber das Publikum eher Durchschnitt. Ein Haufen Büromenschen, die vor den Mädchen herumhampeln und sich aufplustern. Bei diesen Typen sind in der Regel die Eier praller als der Geldbeutel, und sie strampeln sich furchtbar ab, um allen zu zeigen, dass sie die großen Oligarchen sind. Daneben gibt es eine Handvoll echter Oligarchen, bei denen der Geldbeutel praller ist als die Eier, die geben hier die coolen Bohemiens in abgewetzten Klamotten. Echte Bohemiens sind auch da, ein gutes Dutzend aus der Szene, irgendwelche Modefreaks, die weder pralle Eier noch pralle Geldbeutel
haben; weiterhin ein paar Vertreter der Jeunesse dorée, die mehr im Portemonnaie haben als die Modeaffen, aber weniger als die Bürotypen. Kann gut sein, dass die Oligarchen ihre Eltern sind. Schließlich gibt es noch ein paar Moskauer mit ihren Freundinnen, sehr, sehr viele Schwule und genau so viele einsame Mädchen.
»Sieht ziemlich mau aus«, konstatiert Vadim. »Die Musik ist auch scheiße.«
»Tja, Alter, was hast du denn erwartet? Es hat nun einmal nicht jeder die Gelegenheit, auf Firmenkosten nach Mailand zu schaukeln und sich dort im
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