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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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Folgendes:
    »Ich muss dir etwas gestehen. Um es kurz zu machen, mir ist da ein ziemlicher Scheiß passiert. Mir war ja gleich klar, dass du längst dahintergestiegen bist. Aber ehrlich gesagt, ich habe eigentlich auch gar keine Lust, die Sache zu vertuschen. Ich dachte, du kommst her, wir sitzen ein bisschen zusammen, trinken ein Gläschen, ich erkläre dir alles, und dann würde man schon weitersehen. Aber du hast ja sofort diese Konferenz mit den Großhändlern angesetzt. Dumm gelaufen, um es kurz zu sagen …«
    »Verdammt dumm, Wolodja. Ich weiß selber nicht, wie das gekommen ist«, spotte ich.
    »Was ich eigentlich sagen wollte: Wir ziehen doch alle am selben Strang, wir sind ein Team, oder? Alte Kollegen müssen
einander helfen, stimmt’s? Heute steckt der eine in der Klemme, morgen der andere! Verstehst du, was ich meine? Jeder hat seine kleinen Fehler. Wer ohne Fehler ist, der soll das erste Glas auf mich werfen.« Wolodja kichert anzüglich. »Anders geht es nicht in unserem Geschäft, es gibt einfach zu wenige Menschen, auf die man sich verlassen kann. Habe ich nicht Recht?«
    »Oh doch, du hast vollkommen Recht, Wolodja. Lauter Schwindler und Egoisten, wohin man sieht. Jeder versucht, den anderen in die Pfanne zu hauen, stimmt’s, Wolodja?«
    »Oh ja, genau so ist es.« Er nickt lebhaft. Offensichtlich ist er davon überzeugt, dass das Gespräch jetzt ganz nach Plan läuft. »Was ist, nehmen wir noch einen kleinen? Die Hauptsache ist doch, dass wir alle was vom Leben haben. Echte Männer müssen zusammenhalten, sage ich immer, findest du nicht?« Ich spüre, dass er jetzt endlich seine Trümpfe auf den Tisch legt. »Also, auf uns!«
    Mit diesen Worten lüpft Wolodja den ledernen Einband der Speisekarte an, und darunter kommt ein sauberer weißer Umschlag mit dem Logo unserer Firma zum Vorschein. Ich frage mich, wann er den wohl dort deponiert hat. Als er von seinen Eltern erzählt hat, oder während meiner Eloge über die Großhändler? Wolodja sieht den Umschlag einige Sekunden lang an und schiebt ihn dann bis fast in die Mitte des Tisches. Wir sitzen da mit unseren Gläsern in den Händen und betrachten das kleine weiße Rechteck. Auf Wolodjas Gesicht spiegelt sich die ganze siebzigjährige Traurigkeit und Gram des beschwerlichen Arbeiteralltags in der sowjetischen Kaufmannschaft. Ich bin fast sicher, dass Wolodjas Erzeuger den strahlenden Augen des Kämpfers
wider den Diebstahl am sozialistischen Eigentum haargenau den gleichen Anblick geboten haben. Tief unten im Bauch köchelt die Angst und kondensiert im linken Ei zu der bangen Erwartung eines Happy End. Dort fühlt sich jeder Pulsschlag an wie Deliladen, Rosenlew-Kühlschrank, Perserteppich, Mulinex-Küchenmaschine, Pelzmantel und so weiter. Im rechten Ei dagegen puckern die Worte Konfiszieren, Korruption, Gerichtsurteil und Straflager, hart und immer härter, bis man irgendwann deutlich das rhythmische Schlagen der Eisenbahnräder hört, die in die kalten, fernen Regionen unserer schönen Heimat rollen.
    Ich schlürfe Schlückchen für Schlückchen meines Cognacs genüsslich und ohne Hast in mich ein, dann greife ich nach dem Umschlag. Guljakin kippt seinen Cognac auf ex. Ganz langsam stelle ich mein Glas auf der Tischplatte ab und mache mich daran, den Inhalt zu inspizieren. Dreitausend US-Dollar, stelle ich fest. Ich blicke auf und lese in seinem Gesicht: Zu wenig!
    Behutsam lege ich den Umschlag zurück und frage:
    »Ich dachte, wir gehen heute noch in die Sauna? Wodka, Mädchen und was so dazugehört! Oder nicht?«
    »Willst du mich beleidigen, Chef? Alles wartet nur auf uns. Die Mädchen scharren schon mit den Hufen, wie man so sagt.« Jetzt fühlt er vertrauten Boden unter den Füßen.
    »Du weißt, wie man Gäste bewirtet, Wolodja, das muss man dir lassen.«
    »Na ja, darin habe ich Erfahrung.« Er reibt sich selbstzufrieden die Hände, und die gesunde Gesichtsfarbe stellt sich wieder ein.

    »Jetzt habe ich nur noch eine Frage, mein Lieber. Nach welchem Schlüssel hast du eigentlich meinen Bonus umgerechnet, dass diese mickrigen drei Mille dabei rauskommen? Dir selber hast du dreißig Mille in den Arsch schieben lassen, und mich willst du mit zehn Prozent abspeisen, oder wie darf ich das verstehen?«
    Guljakin kneift verdutzt die Augen zusammen. Er sieht plötzlich aus wie ein Mongole auf Rentierjagd.
    »Das ist dir zu wenig oder was?«, fragt er mit rauer Stimme.
    »Ich glaube, du hast vergessen, mit wem du es zu tun hast, Wolodja.

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