Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
Vom Netzwerk:
früher war das Leben noch richtig spannend. Da hatte man mit lauter kultivierten Menschen zu tun«, resümiere ich und schaue mit gelangweilter Miene aus dem Fenster. Wolodja merkt offenbar, dass sein Eröffnungszug ein wenig danebengegangen ist und wechselt abrupt das Thema.
    »Und, was für einen Eindruck haben unsere Großhändler auf dich gemacht?«, fragt er ein wenig steif und gießt Cognac ein. »Konntest du dir halbwegs ein Bild machen?«
    »Ich würde sagen, ganz normale Großhändler. Ordinäre Ratten, die sich ein möglichst dickes Stück Speck aus der Falle stibitzen wollen, bevor die Firma einen eigenen Vertrieb aufbaut und ihnen das Rückgrat bricht. Man muss sie härter anfassen, viel härter. Damit sie begreifen, was der Speck kostet.«
    »Härter anfassen. Tja, ich verstehe, härter, meinst du also. Ich werde mir Mühe geben. Ich habe natürlich nicht so viel Erfahrung wie ihr in Moskau. Deshalb begrüße ich es ja auch sehr, dass du jetzt hier bist … ich meine, dass man dich geschickt hat, um uns zu helfen. Solche Meetings wie das von heute sind besser als jedes Management-Training. Das sollte man viel öfter machen, dann käme unser Laden hier mal richtig in Schwung.«
    Red keinen Schwachsinn, Wolodja, gar nichts käme in Schwung. Ihr würdet einfach nur mehr Kohle abzocken. Du lebst doch hier wie die Made im Speck, du willst doch gar nichts verändern. Dir steht ein fettes Budget zur Verfügung, die Großhändler fressen dir aus der Hand, deine Leute kriechen dir in den Hintern, und wenn jetzt die Firma auf einmal einen eigenen Direktverkauf in der Stadt aufbauen
wollte, käme das für dich einer Totalkatastrophe gleich, quasi Hiroshima und Nagasaki zusammen. Deine ganze gemütliche, sorgsam gehegte und gepflegte Kuschelwelt zwischen Sauna, Kneipe und Puff würde mit einem großen Rumms in die Luft fliegen. Eigentlich müsste man dich mit einem kräftigen Tritt in den Hintern zur Hölle schicken. Dann könnte unsere Firma hier in der Stadt wirklich etwas bestellen. Das denke ich im Stillen.
    Laut aber sage ich: »Du hast vollkommen Recht, Wolodja, aber leider geht es nicht öfter. Ich stecke in Moskau selber bis zum Hals in Arbeit. Du weißt ja, wie das ist: Man schuftet wie ein alter Lastesel, aber es wird einfach nicht weniger. Ich sollte mal mit unserem Generaldirektor reden, vielleicht stellt er jemanden zur Unterstützung deiner Filiale ab. So etwas wie einen Konsultanten und Außenauditor.« Wenn ich das aus den Augenwinkeln richtig erkennen kann, hat Wolodjas kleiner Finger bei diesen Worten angefangen zu zittern. »Was kann ich dir schon nützen? Ich schreibe einen Bericht, und das war’s. Ihr bräuchtet eine konstante Unterstützung.«
    Beim Zauberwort »Bericht« strafft sich Wolodjas Rücken merklich. Endlich erreicht das Gespräch vertraute Gewässer.
    »Ach ja, apropos Bericht …« Wieder senkt sich die Cognacflasche, wobei mein Glas ein wenig voller wird als seins. »Hast du dir unsere Verkaufsstellen angesehen? Wie gefällt dir unsere Warenplatzierung? Ich finde, unsere Merchandiser kommen mit den großen Supermarkt-Formaten nicht so gut klar. Also bei Metro oder Lenta, meine ich. In den mittelgroßen Formaten sind wir recht ordentlich präsentiert.
Wie ist das denn bei euch in Moskau? Wahrscheinlich viel besser, was? Ich hab mal ein paar Verkaufsstellen besichtigt, da hattet ihr quasi das Monopol. Aber ihr seid ja auch echt fit, ihr Moskauer!«
    »Hör schon auf, Wolodja. Wir haben in den Verkaufsstellen genauso viele Probleme wie ihr. Unsere Merchandiser arbeiten auch nur auf Sparflamme. In den Supermarktketten sieht es besser aus, aber auf die haben wir auch ein Sonderkommando angesetzt.«
    »Ach ja? Wie viele Leute habt ihr denn unterwegs? Ich schreib mir hier die Finger wund, dass man mir noch ein paar Merchandiser mehr bewilligt, aber nichts tut sich. Was ist, könntest du nicht mal ein gutes Wort für mich einlegen?« Wieder fließt Cognac, diesmal schon mehr als großzügig dosiert.
    Ich leere mein Glas auf ex, und auf einmal habe ich gute Laune. »Wolodja, was erzählst du mir da eigentlich für einen Blödsinn? Wozu brauchst du noch mehr Merchandiser? Du hast doch deine Großhändler! Die haben schließlich ein unmittelbares Interesse am Verkauf unserer Waren, oder nicht? Du gibst ihnen Rabatte, verteilst Prämien für die Erfüllung der Verkaufsziele, das ist doch ein ausgezeichnetes Druckmittel, oder verstehe ich das falsch? Mach ihnen Dampf!«
    »Na ja, das ist

Weitere Kostenlose Bücher