Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
trotzdem das Finale. Aus einem versteckten Winkel meiner Seele sagt mir eine Stimme, dass ich Guljakin nicht wirklich kleingekriegt habe. Kein Heulen und Zähneknirschen, keine schwangere Frau und keine todkranke Mutter, die herhalten mussten. Er hat einfach meine Bedingungen akzeptiert und fertig. Mir ist klar, dass ich diese Farce jetzt wirklich beenden muss.
»Na gut, Wolodja, bringen wir’s zum Ende.«
»Was meinst du?«
»Ich meine, dass ich einen Scheißdreck von dir haben will. Keine beschissene Kopeke. Du weißt jetzt einfach, dass es jemanden gibt, dem du etwas schuldest. Ich meine nicht Geld, sondern Loyalität, verstehst du? Und damit ist das Thema für mich erledigt.«
Wolodja schweigt und glotzt verständnislos auf einen Punkt in meinem Gesicht, wo man für gewöhnlich das dritte Auge verortet.
»Aber jetzt pass gut auf, du kleines Arschloch: Wenn du noch einmal auf der Jahresversammlung die Boni und Budgets der Moskauer Filiale mit der in Petersburg vergleichst, oder etwa hintenrum der Geschäftsführung zu verstehen gibst, wo man bei uns irgendwas abknapsen kann …« Guljakin macht ein Schafsgesicht. »Spar dir dein Theater, Wolodja. Vor einem Jahr hat mich Natascha aus Rostow ganz genau über dich ins Bild gesetzt. Ich war nämlich vor dir mit ihr im Bett, wenn du verstehst, was ich meine. Sie hat mir erzählt, wie du bei ihr sturzbesoffen den
dicken Max gespielt und damit geprahlt hast, wie ihr die Moskauer Budgets anzapft, mit freundlicher Unterstützung von Garrideau. Du sprichst doch sogar ganz gut französisch, stimmt’s, Wolodja? Also, damit wir uns richtig verstehen: In Zukunft lässt du das schön bleiben, klar? Sonst sehe ich mich gezwungen, dich ganz gepflegt in die Pfanne zu hauen. Und das werde ich auch tun, und zwar mit Vergnügen!«
»Moment mal, ich stehe grad ein bisschen auf der Leitung. Soll das heißen, dass du jetzt keine Kohle von mir willst?«
»Wolodja, was soll das? Schneidest du unser Gespräch mit? Hast du ein Diktafon in der Westentasche? Das sind doch billige Bullentricks.«
»Nein, Quatsch, spinnst du? Ich meine bloß … wir sitzen hier seit zwei Stunden, und jetzt willst du …«
Guljakin ist komplett durcheinander. Es geht einfach nicht in seinen Kopf, dass jemand, der ihn gerade wie eine Nuss geknackt hat, der ihn ausnehmen könnte wie eine Weihnachtsgans, auf einmal nichts von dem Geld will. Er kapiert es einfach nicht, Und das macht ihm regelrecht Angst. Was habe ich vor? Will ich ihn tatsächlich ans Messer liefern? Noch größer als seine Angst ist jedoch sein Zorn. Wolodja ist ernsthaft sauer. Weil mein Verhalten so gar nicht in sein gewohntes Schema passt. Seiner Meinung nach geht man so nicht miteinander um. Das gehört sich nicht. Jemand hat ihn an den Eiern, lässt ihn ordentlich zappeln, holt den letzten Rubel aus ihm raus – und nimmt dann am Ende nichts. Das ist schlichtweg unmoralisch. Ich wiederum sitze da und denke mittlerweile, dass ich ein dämlicher Vollidiot
bin. Bilde ich mir etwa ein, ich könnte diesen Typen ändern? Aus einem Stichling macht man keine Forelle, und an einem Buchsbaum wachsen keine Rosen. Da kann man sich noch so abstrampeln. Guljakin wird sowieso niemals in seinem Leben begreifen, dass Geld verdient werden muss und nicht geklaut. Die einzige Konsequenz wird sein, dass er in Zukunft besser aufpasst. Zu meiner Beruhigung sage ich mir, dass man mit solchen Leuten nun einmal nicht anders umgehen kann, dass sie keine andere Sprache verstehen. Die kennen weder Pflichtbewusstsein noch Loyalität. Das Einzige, was diese Typen in Bewegung bringt, ist Angst. Darüber hinaus muss mir klar sein, dass er mich bis ans Lebensende mit seinem Hass verfolgen wird. Solchen Leuten darf man niemals den Rücken zukehren.
»Ich schlage vor, Wolodja, wir beenden jetzt unsere Besprechung, bestellen die Rechnung und vertagen uns aufs nächste Mal, wie es so schön heißt. Trinken wir aus.«
Guljakin verteilt den restlichen Cognac, leert sein Glas, ohne auf mich zu warten und sagt mit heiserer Stimme:
»Du bist entweder ein Arschloch oder ein Halunke. Ich verstehe dich nicht. Warum kann man nicht miteinander umgehen, wie es sich für anständige Russen gehört? Du presst mir aus purem Jux den letzten Blutstropfen aus dem Leib, ja? Dir gefällt es, die Leute zu verarschen, ja? Deine Natascha …«
»Sie ist nicht meine Natascha.«
»Egal. Weißt du, was sie über dich gesagt hat? Du bist aus Plastik, hat sie gesagt, du bist gar kein
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