Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
schon richtig«, Wolodja rutscht nervös auf seinem Stuhl herum, »aber verstehst du, diese Großhändler sind die reinsten Schlitzohren. Die sind wie Prostituierte. Heute verkaufen sie unsere Waren, morgen die der Konkurrenz. Und die Rabatte, verstehst du, sind auch nicht in jedem Fall ein geeignetes Druckmittel. Die Großhändler leben ja vor allem von diesen Rabatten, wenn ich die streiche,
weil sie schlecht arbeiten, dann verkaufen sie gar nichts mehr. Also nehmen wir, zum Beispiel …«
»Genau, Wolodja, nehmen wir zum Beispiel die Firma Trust-M. Das Werbebudget, mit dem wir diese Firma ausgestattet haben, umfasst ein Volumen von fünfzigtausend Dollar, wenn ich das richtig sehe.«
»Ja, das ist richtig. Es bemisst sich an der Größe ihres Kundenstamms.«
»Einverstanden. Die Firmen Lewko und Sonar dagegen haben im letzten Jahr keine müde Kopeke gesehen.«
»Na ja, äh, die arbeiten ja auch nur mit Drogerien und Mini-Markets zusammen. Für diese Formate werden nur spezielle Werbeaktionen durchgeführt, je nach Ermessen des Filialleiters. Und ich finde, dass sie schlechte Arbeit geleistet haben und …«
»Ja, ja, Wolodja, stimmt ja alles. Aber die Fünfundzwanzigtausend, die eigentlich für sie bestimmt waren, sind der Firma Vektra zugeflossen.«
»Als Motivationsbonus für den neuen Großhändler«, erklärt Wolodja fröhlich und lächelt zufrieden, weil er denkt, dass er damit aus dem Schneider ist.
»Siehst du, und genau an diesem Punkt stellt sich mir eine Frage. Warum hat unser Großhändler Impuls, dessen Umsatz nur zehn Prozent höher liegt als der von Trust-M, der die gleichen Formate bedient, im letzten Jahr siebzigtausend aus dem Budget eingestrichen? Dazu weitere zehntausend in diesem Jahr entsprechend dem aktuellen PRO-MOTIONPLAN FÜR DIE NEUEN PRODUKTLINIEN – so heißt es ja wohl in deinem Bericht, oder? Wie habe ich das jetzt zu verstehen? Macht Impuls die Promotion ganz allein? Arbeiten
die anderen Großhändler nicht mit den neuen Produkten? Merkwürdig! Wie erklärst du mir diesen Schwachsinn, Wolodja?«
Jetzt schenke ich Cognac nach.
»Äh, also, erstens ist Impuls unser wichtigster Großhändler. Und dann, zweitens …«, Wolodja sucht umständlich nach geeigneten Worten, »zweitens …«
»Zweitens, Wolodja, ist Vektra eine Tochtergesellschaft der Impuls.« Diese Information haben mir die Vertreter der Firma Trust-M großzügigerweise bei unserem vertraulichen Gespräch zukommen lassen. »Auf diese Art und Weise landeten also noch einmal fünfzigtausend in ein und derselben Tasche. Zählt man dann noch hinzu, dass die Geier von Impuls auch noch fünf Prozent mehr Rabatt erhalten als die anderen, dann ergibt das unter dem Strich eine ziemliche Sauerei. Jetzt interessiert mich eigentlich nur noch, ob du halbe-halbe mit ihnen gemacht hast, oder ob du als ehrlicher Mensch, der du bist, dir nur einen Zehner abgezweigt hast? Trink doch, Wolodja, er wird kalt«, schließe ich mit einer Miene wie weiland Papa Lenin und sehe ihm tief in die Augen.
Wolodjas Reaktion verblüfft mich. Stoische Ruhe, nicht die Spur einer Panik. Ich war so gut wie sicher, dass er nach dieser massiven Attacke komplett einbrechen würde, schließlich war er bis vor zwei Minuten noch fest davon überzeugt, mit seiner bauernschlauen Kungelei alle in den Sack gesteckt zu haben. Aber nein, weder ringt er jammernd die Hände, noch zerknüllt er schniefend sein Taschentuch, er wechselt nicht einmal nennenswert die Gesichtsfarbe. Mag sein, dass sein gesundes Wangenrot sich ein ganz klein wenig
in Richtung rosa verändert hat. Erstklassige Selbstbeherrschung, man könnte direkt neidisch werden. Die Show fängt langsam an, mir Spaß zu machen. Ich merke, wie der Jagdtrieb in mir erwacht. Es juckt mich, noch ein wenig penetranter nachzubohren, ihn mit kleinen fiesen Fragen auf den finalen Fangschuss vorzubereiten. Liegt wohl an meiner boshaften Natur. Ich beobachte Wolodja, während er affektiert seinen Cognac trinkt, hinterher ein Scheibchen Zitrone auslutscht und bedächtig eine Zigarette aus der Schachtel fummelt. Eine perfekte Darbietung! Nur bei dem Versuch, die Zigarette in Brand zu setzen, kommt er ein bisschen ins Schleudern, weil sein Einwegfeuerzeug nicht anspringen will. Eine Weile müht er sich fluchend damit ab, dann bittet er enerviert den Kellner um Streichhölzer. Als die Zigarette endlich brennt, legt er mit einem innigen Seufzer den Kopf auf die Seite und schaut mich herzergreifend an. Dann kommt
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