Seelenkuss / Roman
keine Zeit, weiter zu denken, denn Lor kehrte zurück, einen rosa Gegenstand in der Hand. Als er vor ihnen stehen blieb, blickte er ziemlich unglücklich drein. »Der Vampirkönig ließ dies hier. Er sagte, andere würden kommen und nach dem Sammler fragen, und sie wüssten, was es bedeutet.«
Lor streckte ihnen einen rosa Stoffhasen hin. »Versteht ihr das?«
Reynard wurde merklich steifer. »Es ist eine Drohung.«
»Ein Hase?«, fragte Lor verwirrt.
Ashe nahm das Plüschtier. Es sah teuer aus. Reynard drehte den Geschenkanhänger um, der an einer der Pfoten hing.
»Für Eden, ich umarme und küsse dich«, las er laut vor.
Ashes Herz gefror ihr in der Brust. »Göttin! Ich muss sofort zu meiner Tochter!«
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17
Sonntag, 5. April, 18.00 Uhr 101.5 FM
H ier ist Oscar Ottwell von CSUP . Wir senden direkt vom Campus der Fairview-Universität, und wir unterbrechen unser laufendes Programm mit der Bitte an unsere Hörer, nach einem vermissten kleinen Mädchen Ausschau zu halten. Eden Carver ist zehn Jahre alt, hat braune Augen und braunes lockiges Haar. Sie trägt eine Jeans, ein langärmeliges rosa T-Shirt und wahrscheinlich eine blaue Jacke. Zuletzt wurde sie gegen Mittag vor dem Haus ihrer Tante in Shoreline gesehen, unweit des Saint-Andrews-Friedhofs. Falls Sie Eden sehen oder gesehen haben, rufen Sie bitte beim Sender an unter 555- CSUP ! Auch freiwillige Helfer bei der Suche sind jederzeit willkommen.«
Miru-kai bewegte sich still durch die Burg, frei, sein Gefängnis abermals zu durchqueren. Mac waren irgendwann die Fragen ausgegangen, und er hatte ihn gehen lassen. Besser gesagt: Miru-kai hatte beschlossen, keine Antworten mehr zu haben. Er hatte hinreichend preisgegeben, um sich aus der Zelle zu kaufen.
Mac war nicht ganz zufrieden, konnte sich jedoch nicht leisten, weitere Zeit mit den Ausflüchten des Prinzen zu vergeuden. Belenos im Besitz eines Schlüssels zur Burg stellte eine größere Bedrohung dar.
Eine glückliche Wendung der Ereignisse, denn Miru-kai musste den Vampir zuerst finden. Heute sollte er sich seinen Lohn von Belenos abholen. Auch wenn der Dieb sich als Betrüger erwiesen hatte, musste der Vampir seinen Teil des Handels einhalten. Niemand brach ein Abkommen mit einer Fee. Das führte zwangsläufig zu einem Fluch, den keine Zeit oder Entfernung überwinden könnte.
Den Prinzen allerdings plagte echte Reue. Dies war ein Handel, den er niemals hätte eingehen dürfen. Und dennoch war das Juwel, das Belenos ihm anbot, zu groß, als dass Miru-kais geschwärzte Seele hätte widerstehen können. Im Laufe der Zeit hatte der Stein diverse alberne Namen erhalten: Stein der Finsternis, Schatz von Jadai, Fluch von Vathar. Es handelte sich um einen Feenschatz, und obgleich andere Arten wussten, dass er mächtig war, ahnten die wenigstens, wozu er imstande war. Wie Belenos ihn in seine kalten, klammen Finger hatte bekommen können, war allen schleierhaft.
Das Juwel löste ein grundlegendes Problem des Prinzen. Keine Fee konnte die Burg verlassen, nicht einmal, wenn ein Portal weit offen stand. Die Zauberer, die das Gefängnis errichteten, hatten gesonderte Sicherheitssperren für jene eingebaut, die sich wie Miru-kai unsichtbar machen konnten. Versuchten sie, nach draußen zu gelangen, schleuderte eine Kraftwand sie mit der Wucht eines Cricketschlägers zurück. Und das schmerzte. Sehr.
Das Juwel, in den Händen einer mächtigen Fee wie Miru-kai, verhieß endlich Freiheit. Er hatte ohne Zögern den Pakt mit Belenos geschlossen. Er wollte diesen Stein!
Aber so vieles war fehlgeschlagen.
Er hatte versprochen, die Urne auszuhändigen.
Nicht eine Urne mit einer Seele darin.
Wieder einmal war die Wortwahl entscheidend für einen solchen Handel.
Miru-kai hatte den Dämon
sehr klar
angewiesen, nach Brans Urne Ausschau zu halten – nach derselben leeren Urne, die Miru-kai versehentlich ergriff. Ironie des Schicksals? Eindeutig.
Der idiotische Dämon hatte stattdessen Reynards Urne gestohlen – wohl in seiner tölpeligen Hast das Gefäß genommen, das am nächsten zum Ausgang stand. Aber Miru-kai konnte ihn schlecht dazu bewegen, wieder zurückzukommen und eine andere Urne zu stehlen, oder? Er hatte den Irrtum zu spät entdeckt, um seine Spuren zu verwischen. Die ganze Angelegenheit überschüttete ihn mit Hohn.
Daher hatte er entschieden, Reynard von dem Raub zu erzählen; das Spiel ein wenig fairer zu gestalten. Es entsprach der Feenmoral. Und natürlich hatte er bis dahin erkannt,
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