Seelenkuss
noch näher an Darejan und den Verrückten heran trieb. Auf dem Leder seines Brustharnischs waren mit Kupfer zwei parallele Linien eingepunzt, die ihn wohl als Anführer der Männer kennzeichneten. Mit einem dunklen Fauchen schüttelte sein Ragon den Kopf und kaute auf dem eisernen Gebiss in seinem Maul. Ein kurzer Zug an den Zügeln und es stand still. Die hellen braunen, nahezu goldenen Augen des Kriegers streifte Darejan nur voller Verachtung, ehe sie sich auf den Verrückten hefteten und er sich im Sattel vorbeugte.
» Sieh an, was haben wir denn da aufgescheucht? Ein Jarhaal, der mit einer Korun reist? In diesen Zeiten? Was habt ihr wohl hier zu suchen? « Anstatt auf eine Antwort zu warten, richtete er sich wieder auf und nickte seinen Gefährten zu. » Fesselt sie! Wir nehmen sie mit. Niéne wird sie verhören wollen. «
» Der Hund hat Jerre umgebracht, Oqwen. Lass uns ihn und seine Korunhure gleich hier aufhängen. « Der Mann, der die Klinge gegen die Kehle des Verrückten hielt, verstärkte bei seinen Worten den Druck. Darejan sah, wie sich ein feiner roter Tropfen an der Schneide bildete, einen Moment wie unschlüssig an der Kante verharrte und dann abwärtsrann, um einen dunklen Fleck auf dem zerschlissenen Hemdstoff zu hinterlassen. Zustimmendes Gemurmel wurde laut, das auf ein Zeichen Oqwens jedoch wieder verstummte.
» Nein, Siére. Wir bringen sie zu Niéne. Aufhängen können wir sie später immer noch. Vorwärts! «
Diesmal gehorchten die Krieger ohne erneuten Widerspruch. Ein weiterer Mann saß ab und fesselte ihnen unsanft die Hände auf den Rücken. Als er dabei die eisernen Ringe an den Handgelenken des Verrückten bemerkte, rief er seinem Anführer etwas zu, das Darejan nicht verstand. Der trieb sein Ragon einen Schritt weiter heran und lehnte sich über den Hals seines Reittieres vor, um sich die Eisen seinerseits anzusehen. In einer Mischung aus Neugierde und Spott blickte er dann auf den Verrückten hinab. » Offenbar hast du Übung darin, in Schwierigkeiten zu geraten « , meinte er geradezu gutmütig. » Verrate mir, was du getan hast, dass man dich für gefährlich genug hielt, um dich in Eisen zu legen, Kerl! « Störrisches Schweigen antwortete ihm. Ein kaltes Grinsen erschien auf seinem Gesicht. » Wie du meinst « , zuckte der Mann die Schultern. » Niéne wird dich schon zum Reden bringen. « Er bedeutete Siére, seine Klinge von der Kehle des Verrückten zu nehmen, und wandte sein Ragon ab. Wortlos schob der Krieger seinen Säbel in die mit bunten Quasten verzierte Scheide an seinem Gürtel und spuckte noch einmal verächtlich vor ihnen aus, ehe er zu dem toten Jerre hinüberging. Zusammen mit einem anderen Isârden wickelte er den Leichnam in eine Decke und zurrte ihn auf dem Rücken seines Ragon fest. Wenig später waren die Männer zum Abmarsch bereit. Sie zerrten ihre gefesselten Gefangenen grob auf die Füße und schwangen sich in die Sättel ihrer Reittiere.
Hilflos blickte Darejan zu dem Verrückten. Er starrte dumpf vor sich hin, die Kiefer so fest zusammengepresst, dass ein Muskel an seiner Wange zuckte. Doch als einer der Isârden ihm den Stiefel zwischen die Schultern setzte und ihn vorwärtsstieß, setzte er sich schweigend in Bewegung. Auch Darejan erhielt einen unsanften Stoß in den Rücken. Die Reiter nahmen sie in die Mitte und führten sie zwischen den Bäumen hindurch, zurück Richtung Hohlweg. Die schlanken Leiber der Ragon um sie herum versperrten ihnen wirkungsvoll jeden Fluchtweg.
Obwohl die Krieger ihre Reittiere nur im Schritt gehen ließen, war das Tempo scharf genug, um in Darejans Beinen binnen kurzer Zeit ein unangenehmes Ziehen zu wecken und ihre Atemzüge hastig und flach werden zu lassen. Ein paar Mal war sie bereits gestolpert, doch ihre Bewacher ließen nicht zu, dass sie langsamer wurde. Im Gegenteil: Fiel sie zurück, bekam sie einen groben Stoß, sodass sie nicht selten ein paar Schritt vorwärtstaumelte und beinah stürzte. Zu allem Überfluss war auch die Wolkendecke aufgerissen, sodass die Sonne warm auf sie herabbrannte, die Nässe von Boden und Blättern trocknete und die Luft schwer und schwül werden ließ und ihre Kehle vor Durst rau machte. Immer wieder blickte Darejan zu dem Verrückten hin. Die Lider über seinen silbernen Dämonenaugen hielt er halb geschlossen. Schweiß rann ihm übers Gesicht, färbte den Stoff seines Hemdes dunkel und klebte es ihm auf die Haut. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich
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