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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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schienen. Was auch immer er ihnen antwortete, es brachte sie dazu, ihre Mordgedanken zumindest vorerst fallen zu lassen und zu den dürftigen Feuern zurückzukehren, die zwischen den Bäumen brannten. Der Krieger nickte ihren Bewachern noch einmal zu, ehe er ebenfalls davonging.
    Erst jetzt wagte sie es, sich vorsichtig aufzusetzen und genauer umzuschauen. Die Menschen, die sie im Licht der Flammen sehen konnte, wirkten müde und verzweifelt. Einige saßen reglos an den Feuern oder an Bäume gelehnt und starrten teilnahmslos vor sich hin, andere gingen umher, als suchten sie nach etwas oder jemandem. Ihre Kleider waren zerrissen und zu einem Großteil angesengt. Sie schienen nicht mehr zu besitzen als das, was sie am Leib trugen. Decken oder halb zerrissene Umhänge, die über in den Boden gerammte Äste geworfen worden waren, boten notdürftigen Schutz vor Regen und Nachtwind. Ein paar Frauen und Kinder drängten sich darunter zusammen, um sich gegenseitig zu wärmen. Irgendwo weinte schwach ein Säugling. Auch jetzt konnte Darejan kaum Männer und junge Burschen unter ihnen ausmachen. Waren das die Bewohner des niedergebrannten Dorfes, an dem sie am Nachmittag vorbeigekommen waren? Aber wie konnte es so viele sein? Sie drehte die Handgelenke in ihren Fesseln und versuchte, es sich auf dem feuchten Boden ein wenig bequemer zu machen. Erfolglos. Müde bettete sie den Kopf auf die Knie. Ihr blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten. Hinter sich konnte sie das leise Stöhnen des Verrückten hören, der offenbar wie sie selbst nach einer Haltung suchte, die es ihm erlaubte, sich ein wenig zu entspannen.
    Als sich einige Zeit später Schritte näherten, blickte sie auf. Oqwen kam durch die Nacht auf sie zu. Er war allein.
    » Niéne ist nicht hier. Einer der Bauern hat wohl behauptet, er wisse, wo sich diese Bestien verstecken, und jetzt sind die anderen auf die Jagd gegangen. Sie haben außer den Verletzten nur drei Mann zurückgelassen « , teilte er seinen Krieger mit. Seine hellen Augen wandten sich im Dunkeln den Gefangenen zu. » Eine kleine Gnadenfrist für euch. Aber keine Sorge. Bis zum Morgengrauen sind sie zurück. Dann wird Niéne sich eurer annehmen. Und ihr tätet gut daran, dann zu reden. « Er wandte sich wieder seinen Männern zu. » Ich schicke euch eines der Dorfmädchen mit etwas zu essen. Später werden Siére und ich euch ablösen. «
    Die Krieger bestätigte seine Worte mit einem Nicken und Oqwen ging wieder davon. Erschöpft und verzweifelt ließ Darejan den Kopf zurück auf die Knie sinken. Den leisen Schritten, die sich zusammen mit dem flackernden Schein einer Fackel einige Zeit später näherten, schenkte sie keine Beachtung. Bis das Krachen von zerberstendem Ton und ein erschrockenes Keuchen sie auffahren ließ. Ein kurzes Stück von ihnen entfernt stand ein hellblondes Mädchen. Zu seinen Füßen lagen die Scherben einer Schüssel, deren Inhalt jetzt im Gras verspritzt war, und starrte über Darejan hinweg auf den Verrückten. Dann machte es auf dem Absatz kehrt und rannte lauthals » Mirija! Mirija! « schreiend davon. Offenbar vollkommen verwirrt, starrten die beiden Krieger dem auf- und abtanzenden Licht seiner Fackel hinterher. Ein scharfer Ruf erklang. Leise, unverständliche Wortfetzen drangen zu ihnen her. Einen Moment später näherten sich schnelle Schritte durch die nächtliche Dunkelheit. Darejan erkannte Oqwen. In der Hand trug er eine Fackel, deren Schein sein Gesicht beleuchtete. Der Ausdruck darin kündete von kaum verhohlener Wut und ließ Darejan zusammenzucken. Doch er sah sie noch nicht einmal an. Stattdessen trat er an ihr vorbei. Sie hörte, wie er einen Fluch ausstieß, und drehte sich mühsam um. Oqwen hatte sich über den Verrückten gebeugt, der auf der Seite lag. Das Hemd war ihm irgendwann halb von der Schulter geglitten und entblößte einige Spannen seiner Runentätowierungen. Wie jeden Abend hatte ihn das Fieber heimgesucht und ließ zusammen mit dem kalten Nachtwind eine Gänsehaut auf seinem Körper wachsen. Seine Augen waren trüb, und dennoch hatte er es offenbar irgendwie geschafft, den Nebel seines Wahnsinns in Schach zu halten. Die Art, wie er das Kinn gesenkt hielt, die Brauen zusammengezogen hatte und den Blick des Isârden-Kriegers erwiderte, kündete nur zu deutlich von Trotz– und davon, dass er scheinbar ebenso wenig verstand wie Darejan, was eigentlich vor sich ging. Einen Moment lang starrten die beiden Männer einander an, dann rammte Oqwen

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