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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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aufeinandergepresst, die Kiefer hatte er noch immer zusammengebissen. Wahrscheinlich war es nichts anderes als Stolz und Sturheit, die ihn auf den Beinen hielten.– Wie bisher ging es beständig nach Osten.
    Es war schon weit nach Mittag, als der Hohlweg sich auf der einen Seite zu einem sanft abfallenden Tal hin öffnete. Auf der anderen Seite war die mit Gras, Gestrüpp und Nesseln bewachsene Böschung, von Wind und Regen glatt geschliffenen, senkrecht aufragenden Felsen gewichen. Oberhalb von ihnen reckten sich noch immer dicht an dicht Cinjantannen und Narlbirken. Ein unbefestigter Pfad führte in das Tal hinab. An seinem Ende lag ein kleines Dorf. Oder das, was ein Feuer davon übrig gelassen hatte: rauchende Ruinen.
    Die Isârden wechselten Blicke, dann ein Nicken Oqwens und zwei der Krieger galoppierten in das Tal hinab. Die übrigen warteten schweigend. Erschöpft sank Darejan auf die Knie, dankbar für die Rast. Neben ihr sackte auch der Verrückte zu Boden.
    Schon nach erstaunlich kurzer Zeit kamen die beiden Reiter zurück. Ihr schweigendes Kopfschütteln konnte nur eines bedeuten: Es gab keine Überlebenden, und wenn doch, hatten sie das Dorf bereits verlassen. Die hasserfüllten Blicke, mit denen die Krieger Darejan und den Verrückten bedachten, ließen sie trotz der Wärme zittern. Unter Flüchen und Verwünschungen wurden sie schließlich wieder auf die Beine und vorwärts getrieben.
    Doch je weiter der Tag voranschritt, umso häufiger stolperte sie und fiel auf die Knie. Auch der Verrückte taumelte wieder und wieder. Dass die Krieger ihnen am späten Nachmittag ein paar Schluck Wasser gaben, half nichts. Sie kamen immer langsamer voran, bis Oqwen irgendwann mit einem Fluch sein Reittier zum Stehen brachte und einem seiner Männer befahl, Darejan zu sich in den Sattel zu nehmen, während zwei andere dem Verrückten auf den Rücken des Ragon helfen mussten, das bereits Jerres toten Körper trug. Sie sah gerade noch, wie er über dem Leichnam vornübersank, dann ergab sich auch Darejan der Erschöpfung und schloss die Augen. Wo auch immer die Isârden sie hinbringen mochten, es war ihr gleich. Im Moment zählte nur, dass sie nicht mehr laufen musste.
    Sie musste vor Müdigkeit eingeschlafen sein, denn sie bemerkte die Stimmen um sich her erst, als sie unsanft aus dem Sattel gezerrt wurde und haltlos zu Boden stürzte. Sie prallte gegen etwas Weiches. Ein keuchendes Stöhnen erklang dicht neben ihrem Ohr, und als sie es endlich schaffte, die Augen zu öffnen, entdeckte sie, dass sie gegen den Verrückten gefallen war. Die Sonne musste schon vor einer ganzen Weile untergegangen sein, denn der Himmel hatte sich in sternenbesetzte Schwärze verwandelt. Ein kühler Wind strich durch die weit auseinanderstehenden Bäume, die als düstere Schatten in ihn hinaufragten. Schwacher Feuerschein flackerte über sie hinweg. Schwerfällig kämpfte Darejan sich auf die Knie. Um sie her standen Frauen, die ihre Kinder an sich zogen. Alte stützten sich auf Krücken oder hielten sich an Jüngeren fest. Manche hatten die dunkle Haut der Isârden, andere schienen zum Volk der Siard zu gehören. Männer oder junge Burschen waren kaum unter ihnen. In allen Gesichtern stand Hass.
    » Korunhure! « , zischte ein alter Mann und schüttelte die Faust.
    » Was habt ihr mit meinem Penan gemacht? « , wollte eine Frau wütend wissen. Etwas traf Darejan mit Wucht an der Schulter. Sie keuchte vor Schmerz. Hinter ihr kam der Verrückte mühsam auf die Beine und musste sich hastig wegdrehen, sonst hätte ein Klumpen Erde ihn an der Stirn getroffen.
    » Wo habt ihr die Leiche meines Sohnes hingeschafft? « Ein Stein schlug hart gegen ihre Brust und nahm Darejan den Atem. Immer mehr Stimmen brüllten durcheinander. Anklagen und Schmähungen. Wieder prallte etwas schmerzhaft gegen ihre Schulter.
    » Aufhören! « Das Wort schnitt durch das Geschrei der Leute. Oqwen schob sich zwischen den aufgebrachten Menschen hindurch und winkte seinen Männern. » Schafft die beiden hier weg, ehe sie sie in Stücke reißen. Ich suche Niéne. « Die Krieger gehorchten wortlos, packten Darejan und den Verrückten, ohne auf die wütenden Proteste der Frauen und Alten zu achten, und schleppten sie an den Rand des kümmerlichen Lagers, wo sie sie zu Boden stießen und sich schweigend neben ihnen aufbauten, die Hände unmissverständlich an den Säbeln.
    Für eine ganze Weile lag Darejan still und beobachtete angespannt, wie die Leute auf Oqwen einzureden

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