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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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kniete sich neben die Feuerstelle, nahm aus einem Beutel einen halben Laib Brot, brach ein Stück davon ab und reichte es ihr, mit einem Neigen des Kopfes, das ihr bedeutete, sich zu ihr zu setzen.
    » Wir müssen uns über die Klinge unterhalten « , sagte sie und vergewisserte sich durch einen raschen Blick in die Runde, dass niemand nah genug war, um sie hören zu können.
    Fragend sah Darejan sie an, während sie ein Stück Brot abriss und sich in den Mund steckte.
    » Oqwen sagte mir, dass er gestern Abend nichts gegessen hat. Und auch heute Morgen nicht « , begann Niéne schließlich. » Wie lange geht das schon so? «
    Für einen Moment war sie verblüfft, dann würgte sie den Bissen hinunter und zog nachdenklich die Brauen zusammen. Dass er überhaupt nicht mehr essen wollte, hatte erst an jenem Abend begonnen, als er in den Schleier gegangen war, um die Seele des Mädchens zurückzuholen. Doch auch in den Tagen zuvor hatte er nur mit allergrößtem Widerwillen etwas hinuntergewürgt– eigentlich hatte sie schon vom ersten Moment an den Eindruck gehabt, dass er immer gegen ein Gefühl der Übelkeit ankämpfte, sich zum Essen zwingen musste. Schon damals in der Schmugglerhöhle vor Kahel und auch später in Rokan.
    Als sie die Frage der Kriegerin entsprechend beantwortete, nickte diese, als hätte sie ihr einen Verdacht bestätigt.
    » Glaubt ihr, es hat etwas damit zu tun, dass sein Seelenbruder getötet wurde? « , fragte sie dann ihrerseits und legte das Stück Brot beiseite. Sie hatte plötzlich keinen Hunger mehr.
    Abermals nickte Niéne. » Auch eine Seele kann verbluten « , sagt man bei meinem Volk. Und welche Wunde könnte schlimmer sein als eine, die zurückbleibt, wenn jemandem etwas entrissen wird, das so eng mit dem eigenen Selbst verbunden war? Eine solche Wunde wird sich nicht schließen wie eine gewöhnliche Verletzung. Sie blutet weiter, still und unbemerkt. Bis es vorbei ist. « Sie sah zu dem DúnAnór hin, der gerade mit Oqwen sprach. Der Krieger hatte einen Isârden-Säbel mit Scheide und Waffengehenk in den Händen, die er ihm entgegenhielt.
    Darejan folgte ihrem Blick. » Ein Jarhaal, der uns half, einer Bande Kopfgeldjäger zu entkommen, sagte, dass ein KâlTeiréen den Tod seines Seelenbruders gewöhnlich nicht überlebt. Dass nur die DúnAnór den Verlust ein wenig länger ertragen können. «
    Niénes Augen kehrten zu ihr zurück. » So heißt es, ja. Aber was bedeutet ein wenig länger? Einen Vollmond? Zwei? Vielleicht drei? Und ihm hat man nicht nur seinen Seelenbruder genommen, sondern auch seinen eigenen Geist verletzt und seine Seele zerrissen. Obendrein war er fast zwei Tage und Nächte im Schleier gefangen, und wenn man ihn berührt, könnte man meinen, ein Teil von ihm sei immer noch dort. «
    Verblüfft hob Darejan den Kopf. » Wäre das denn möglich? «
    » Vielleicht. Der Schleier birgt eine ganz eigene Magie. Was sie alles zu bewirken vermag, weiß außer den AritAnór vermutlich kein Geschöpf. Wahrscheinlich kennt auch nur der Wächter der Seelen selbst all seine Geheimnisse und das ganze Ausmaß seiner Macht. « Die Kriegerin musterte sie. » Warum fragt ihr? «
    Darejan zögerte einen Atemzug, ehe sie antwortete. » Als er mir sagte, dass er sich an nichts aus seinem früheren Leben erinnern kann, da… Er sagte, wenn er versuchen würde, sich zu erinnern, dann sei er plötzlich an einem nebligen Ort, von dem er nicht entkommen könne. Ein Ort voller Kälte und Schmerz und es würde ihn immer tiefer in den Nebel dieses Ortes hineinziehen. « Sie senkte den Blick auf ihre Hände, ehe sie weitersprach. » Als Mirija ihn zurückholen wollte, da war ich auch an diesem Ort. Es ist alles verschwommen, nur kurze Bilder, wie wenn ein Blitz bei einem Gewitter in der Nacht für einen Lidschlag den Himmel erhellt. Aber ich habe ihn gesehen. Er lag auf den Knien… « Sie schloss die Augen und presste die Hände gegen die Schläfen, als jener pochende Schmerz wieder hinter ihrer Stirn erwachte. » Seine Hände waren zerschnitten und blutig… Splitter steckten in ihnen… waren um ihn herum verteilt… er hat versucht, sie wieder zusammenzusetzen… zu einem Kelch oder einer Schale… aber er konnte es nicht. Sie sind immer wieder… auseinandergebrochen. « Hilf mir, Rejaan. – Du hast ihn umgebracht! Mörderin! » Und dann stand er plötzlich vor mir. So als gäbe es ihn zwei Mal. « Sie schauderte unwillkürlich und sah auf. Niéne musterte sie noch immer auf die gleiche

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