Seelenkuss
dessen Blick sich weitete, als er seine Besucherin erkannte. Er stolperte rückwärts, versuchte, die Tür wieder zuzuschlagen, doch Kajlan war schneller und stieß sie mit solcher Wucht gänzlich auf, dass der Hausherr das Gleichgewicht verlor und unsanft auf seinem Hinterteil landete.
» Was willst du? « Hastig rutschte er im Licht einer einzelnen Kerze noch ein Stück weiter zurück, während sie eintraten und schließlich den Riegel wieder vorschoben.
» Mein Freund hier hat noch ein paar Fragen zu deinem vermissten Gast, Fren « , erklärte Kajlan ihm freundlich und wies dabei auf Réfen.
» Ich habe dir alles gesagt, was ich über den DúnAnór und sein Vieh weiß. Verschwinde aus meinem Haus! « Frens Blick ging unsicher von einem zum anderen. Langsam schob er sich an der Wand in seinem Rücken in die Höhe.
» Den DúnAnór?– Siehst du, Fren, so fängt es schon an. Als wir uns das letzte Mal über deinen Gast unterhalten haben, hast du nicht erwähnt, dass er ein DúnAnór ist.– Was auch immer das sein mag.– Und deshalb werden wir unsere Unterhaltung jetzt fortsetzen! « Sie fasste ihn mit einer Hand am Ohr, ergriff mit der anderen die Kerze und schob den jungen Mann, ohne auf sein Jaulen und Sträuben zu achten, vor sich her, den kleinen Flur entlang, in einen der hinteren Räume, der wohl eine Art Empfangszimmer sein mochte. Hier platzierte sie ihn auf einem hochlehnigen Stuhl, den sie von der Stirnseite eines langen Tisches zurückgezogen und mitten ins Zimmer gestellt hatte. Schweigend war Réfen ihnen gefolgt, lehnte sich jetzt mit vor der Brust verschränkten Armen gegen den Türrahmen und beobachtete, wie Kajlan die übrigen Kerzen im Raum anzündete, bis alles in warmes, goldenes Licht getaucht war. Schließlich schürte sie sogar das Feuer in dem ausladenden Kamin neu, dessen rotgeäderte Einfassung aus Jananstein schon bessere Zeiten gesehen hatte. So wie der Rest der Einrichtung. Die schweren Vorhänge mochten früher einmal prachtvoll und ebenso bunt wie der Teppich unter seinen Füßen gewesen sein. Jetzt waren sie verblasst und abgeschabt, und wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, wo sich Motten an ihnen gelabt hatten. Auch die Möbel wirkten nur auf den ersten Blick teuer und vornehm. Zu viele Kratzer, Risse und angeschlagene Stellen verrieten ihr Alter, wenn man sich die Mühe machte, sie gründlicher in Augenschein zu nehmen.
Kajlan hatte sich einen anderen Stuhl herangezogen und sich dem Hausherrn gegenüber gesetzt. Eine ganze Weile musterte sie ihn mit unergründlichem Blick, bis er auf seinem Stuhl hin- und herzurutschen begann. Offenbar hatte sie genau darauf gewartet, denn sie lehnte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. » Nun, Fren, da du ja das letzte Mal ein paar wichtige Kleinigkeiten vergessen zu haben scheinst, lass uns einfach noch mal von vorne anfangen « , begann sie in sanftem Ton. » Der Jarhaal, der dein Gast war, wie war sein Name? «
Der junge Mann schnaubte. » Und wenn du mir diese Frage noch tausendmal stellst, Kajlan: Ich weiß es nicht!– Arroganter Bastard, der er war, hielt es nicht für nötig, sich mir vorzustellen. «
» Warum hast du ihn dann nicht einfach rausgeworfen? Anscheinend wart ihr weder Freunde noch hast du ihn wirklich gekannt. «
Frens Finger zupften an seiner Robe. Sein Blick ging von Kajlan zu Réfen und wieder zurück.
» Also? « Die Sanftheit in ihrer Stimme schwand merklich.
» Weil er ein verdammter DúnAnór war. « Er stieß die Worte unwillig hervor, nickte dann in Réfens Richtung. » Wer ist eigentlich der da? «
Kajlan gönnte ihm ein kurzes Lächeln. » Ein Freund von mir, der ein bisschen mehr über deinen Gast erfahren will, wie ich dir schon sagte, Fren. Du solltest mir besser zuhören.– Und was ist ein DúnAnór? «
Nervös leckte Fren sich die Lippen, sah noch einmal von einem zum anderen. » Ein Seelenhenker « , erklärte er dann und schreckte zurück, als Kajlan mit einem tadelnden Schnalzen den Kopf schüttelte, ehe sie aufstand und zum Kamin hinüberging. Wie beiläufig stocherte sie mit dem Feuerhaken in den Flammen herum. Das aschebestäubte Eisen noch immer in der Hand, wandte sie sich schließlich wieder dem jungen Mann zu.
» So geht das nicht, Fren. Wenn du uns freiwillig nicht ein bisschen mehr erzählst, ohne dass ich jede Kleinigkeit erfragen muss, sitzen wir bis zum Morgen noch hier– und du weißt, dass ich sehr schnell sehr ungeduldig werden kann. «
» Kajlan! Lass mich
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