Seelenkuss
Hände lösten sich, sanken herab. Jetzt war es nur Darejans Griff, der verhinderte, dass das Gewicht der Klinge die Wunde noch tiefer riss. Schluchzend umklammerte sie mit einer Hand das Heft der Waffe, hielt mit der anderen seine Schulter fest, dann zog sie mit einem schnellen, geradezu verzweifelten Ruck die Klinge aus seinem Körper. Javreen schnappte in einem halben Schrei nach Luft, krümmte sich zusammen und zog die Beine an den Leib. Ein Zittern durchrann ihn, seine Augen waren vor Schmerz weit aufgerissen. Er hatte die Hände wieder vor die Wunde gepresst. Blut lief darüber. Er würgte und rang nach Atem. Sie ließ das Schwert fallen, packte in blindem Entsetzen die Decke und drückte ein Stück davon zwischen seinen verkrampften Fingern auf das Loch in seiner Brust. Sofort war ihre Hand voll roter Hitze. Sie starrte darauf, weinte hilflos. Dass er zwischen mühsamen Atemzügen schwach ihren Namen flüsterte, verhinderte, dass die Verzweiflung endgültig über ihrem Verstand zusammenschlug. Sie beugte sich über ihn. Seine Augen waren geschlossen, doch seine Lider öffneten sich schwer, als sie mit zitternden Fingern sein Gesicht streichelte.
Er hob die Hand, legte sie gegen ihre Wange. Darejan schluchzte auf, hielt seine Hand mit ihrer fest. » Meine Magie… lass mich versuchen… «
Ein mattes Kopfschütteln ließ sie verstummen. » Du brauchst… sie, um mir zu… helfen, den KonAmàr… zu zerstören. « Träumerisch kosten seine Finger ihre Wange, dann zog er sie langsam zurück und erklärte ihr leise und stockend, was sie zu tun hatte. Fast widerwillig stand sie schließlich auf und zog einen Bannkreis um ihn, das Schwert und sich selbst. Sie zeichnete die Runen entlang des Kreises in den schwarzen Sand, die er ihr mühsam beschrieb, die gleichen, die er auf der Haut trug, sprach die Worte nach, die er ihr heiser nannte. Manchmal rang er Herzschläge lang schwer nach Atem, ehe er das nächste hervorbrachte, manchmal war es so undeutlich, dass er es wiederholen musste, ehe sie es verstand. Als es getan war, setzte sie sich neben ihn, so dicht, dass sie nur die Hand ausstrecken musste, um seine zu berühren, die kraftlos geöffnet zu Boden gesunken war. Auch seine andere Hand hing gelöst über seinem Leib. Ein dünnes rotes Rinnsal sickerte beständig aus seiner Wunde, über seine Brust und in den Sand. Die Decke war seinem Griff längst entglitten. Seine Stimme war kaum mehr ein Flüstern, als er sie anwies, den KonAmàr aus dem Knauf des Schwertes zu lösen. Ihre Finger zitterten so sehr, dass es ihr nicht gelingen wollte, selbst als sie das Blut vom Knauf und ihren Händen abgewischt hatte. Er musste es tun, und als der Stein frei war, fielen seine Hände herab, als hätte ihn endgültig jede Kraft verlassen. Doch als Darejan sich über ihn beugen wollte, befahl er ihr weiterzumachen. Wieder musste sie einen Bannkreis ziehen, diesmal nur um den Stein. Und auch um diesen musste sie Runen in den Sand schreiben. Dann winkte er sie zu sich. Seine Haut hatte die bleiche Farbe von Salzwachs angenommen. Schweiß glänzte fahl auf ihr. Sie kniete sich neben ihn und schluckte Tränen unter, als er ihr ein müdes Lächeln schenkte. Er wollte die Hand wie schon einmal zu ihrem Gesicht heben, doch auf halbem Weg versagten seine Kräfte. Rasch fasste sie zu und schmiegte ihre Wange in seine Handfläche. Sie war kalt. Darejan versuchte, die Tränen noch einmal zurückzudrängen und konnte es nicht.
» Scht. Nicht. « Mit dem Daumen wischte er die heiße Nässe ab. » Wir haben es gleich… geschafft. Es ist nur noch eins… zu tun. « Sie grub sich die Zähne in die Lippe. Seine Finger liebkosten ihre Wange. » Hilf mir auf und… gib mir das Schwert « , verlangte er matt. Als sie widersprechen wollte, schüttelte er erneut schwach den Kopf. » Tu es! «
Darejan schloss die Augen, umklammerte seine Finger einen Moment verzweifelt, ehe sie sacht seine Handfläche küsste und abgehackt nickte. So behutsam sie konnte, half sie ihm zuerst, sich aufzusetzen, dann auf die Knie und schließlich auf die Füße, und dennoch war jeder seiner Atemzüge voller Qual. Seine Wunde blutete wieder stärker. Sie wagte kaum, ihn auch nur für den Bruchteil eines Herzschlags loszulassen, den sie brauchte, um sich nach dem Schwert zu bücken. Sein Körper zitterte vor Anstrengung, doch seine Hände waren ruhig, als sie es ihm gab. Bedächtig setzte er die Spitze auf den KonAmàr, sah Darejan wieder mit jenem traurigen Lächeln
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