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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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jungen Jarhaal ein Fehler war. Von einem Lidschlag auf den anderen stand Zorn in seinen silbernen Dämonenaugen. Und noch etwas anderes. Brüsk wandte er sich ab und ging zu dem kleinen Bachlauf, der in ein paar Schritt Entfernung leise dahingluckerte. Darejan schaute ihm nach. Und für einen kurzen Moment glaubte sie, einen Blick auf den Krieger zu erhaschen, der er früher einmal gewesen sein mochte. Den Rücken gerade, die Schultern zurückgenommen und den Kopf stolz erhoben. Am Wasser ließ er sich auf die Knie sinken und beugte sich vor. Seine Schultern sanken herab und sein Rücken krümmte sich. Schlagartig war er wieder der Mann, den sie kannte: verrückt, krank und erschöpft.
    Die Spuren, die ihre Verfolger entdeckt hatten, mussten von Nakeen und den CayAdesh-Rössern stammen. Vermutlich hatte er sie absichtlich hinterlassen, um ihnen mehr Zeit zu verschaffen und die Männer in die falsche Richtung zu locken. Und nun gab er sich offenbar die Schuld dafür, dass der junge Jarhaal sein Leben für sie riskiert hatte.
    » Er ist ihnen entkommen! Bestimmt! « Darejan konnte nicht sagen, wen sie zu beruhigen versuchte: sich selbst oder den Mann am Bach.
    Für einen kurzen Moment wandten seine Silberaugen sich ihr zu, dann kehrte er ihr abrupt erneut den Rücken, beugte sich über das Wasser des Bachlaufs und starrte reglos und stumm hinein.
    Darejan seufzte lautlos und sah sie sich um. Narlbirken und Cinjantannen reckten sich in den Himmel. Der Boden war geröllig und mit einem zerfressenen Teppich aus kurzem, struppigem Gras bedeckt. Abgebrochene Halme hingen an ihrem Kleid und in ihrem Haar. Der nasse Stoff klebte ihr kalt auf dem Leib und der wispernder Wind, der durch die Bäume strich, ließ sie frieren. Ihr Arm schmerzte vom Handgelenk bis zum Ellbogen hinauf, ihr Ärmel war zerrissen und rot gefleckt. Vorsichtig zupfte sie ihn von ihrer Haut. Als sie den Schaden sah, zog sich ihr Magen zusammen. Ihr Unterarm war von oben bis unten aufgeschürft. Dreck und getrocknetes Blut klebten auf der Wunde und die feine Haut ihrer Unterarmflosse wies ein paar noch immer leicht blutende Risse auf, die bösartig brannten. Die Stirn in Falten gelegt, schaute sie zu dem Verrückten hin. Sie erinnerte sich an das unbestimmte Gefühl, getragen zu werden, an schwere, keuchende Atemzüge direkt an ihrem Ohr und Schmerz, wenn sie hart auf den Boden schlug. Irgendwie hatte er es trotz seiner eigenen Schwäche geschafft, sie bis hierher zu schleppen. Offenbar war er ein paar Mal mit ihr zusammen gestürzt. Dabei musste sie sich den Arm verletzt haben.
    Langsam und unter dem Protest ihres erschöpften Körpers schob sie sich an dem Stamm der Narlbirke in ihrem Rücken in die Höhe. Das kalte Wasser des Baches würde den Schmerz in ihrem Arm lindern und zudem den Dreck aus der Wunde spülen. Mit unsicheren Schritten ging sie zu dem Verrückten hinüber, ließ sich ein kurzes Stück neben ihm am Ufer nieder. Er sah nicht auf, starrte weiter schweigend in das klare Wasser. Glitzernde Kiesel bedeckten den Boden seines Bettes. Ein grünsilberner Fisch stand beinah reglos in der Strömung, schoss aber davon, als Darejan den Arm ins Wasser senkte. Seine Kälte betäubte den Schmerz sofort. Gänsehaut kroch bis zu ihrer Schulter. Doch sie ließ den Arm, wo er war, und wusch vorsichtig Blut und Dreck ab. Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass es schlimmer ausgesehen hatte, als es tatsächlich war. Die Risse würden noch einige Tage wehtun, aber sie würden auch ohne behandelt zu werden heilen.
    » Wo sind wir? « , wagte sie irgendwann in die Stille hinein zu fragen. Der Verrückte reagierte nicht. Darejan musterte ihn von der Seite, konnte aber nicht sagen, ob er ihr nicht antworten wollte oder ob er in die Teilnahmslosigkeit seines Wahnsinns zurückgeglitten war.
    » Ich erinnere mich an einen Mann. Er hatte dunkles Haar. Und Narben– hier! « , murmelte er so unvermittelt, dass sie erschrak. Ohne den Blick aus dem Wasser zu nehmen, fuhr er sich mit drei Fingern an der Halsseite schräg abwärts in Richtung Kehle. » Und hier! « Bedächtig wiederholte er die Bewegung an der anderen Seite seines Halses. Er hatte die Kiemennarben nachgezeichnet, die jeder Korun hatte. Etwas, das von den Ursprüngen ihres Volkes übrig geblieben war. » Und hier. « Seine Fingerspitze zog eine unsichtbare Linie von seinem Kiefergelenk bis beinah zur Spitze seines Kinns.
    » Ja! « Darejan nickte und hob den Arm aus dem Wasser. » Als Junge ist

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