Seelenkuss
Darejan hielt den Atem an, denn der Laut kam von der gegenüberliegenden Teichseite. Wie zur Antwort schwoll das Kläffen hinter ihnen an. Angst ballte sich in ihrer Brust zusammen. Hier gab es nichts außer den Sissraweiden, um sie vor den Blicken ihrer Verfolger zu verbergen. Aber dort würden die Männer mit tödlicher Sicherheit zuerst suchen. Ihr Blick irrte zu der Dunkelheit unter den Cinjantannen. Vielleicht konnten sie den Teich auf dieser Seite umgehen und sich beim Damm verstecken. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Wieder schnitt das Horn durch die Dämmerung, trieb sie voran. Sie fasste die Hand des Verrückten fester und zog ihn in den Teich hinein. Gerade hatten sie die Schatten der Cinjantannen erreicht, als mehrere Hunde mit lautem Platschen und Spritzen aus dem Bachlauf brachen und in den Teich sprangen. Empört schreiend flatterte ein Vogel aus dem Schilf auf. Bemüht, möglichst wenig Wellen und noch weniger Geräusche zu machen, ließ Darejan sich bis zum Kinn ins Wasser sinken und bewegte sich mit dem Verrückten tiefer in die Dunkelheit hinein. Unter ihren Füßen stieg das Ufer als sandiger Schlick langsam an. Noch bot ihnen das Wasser Deckung, aber wenn sie sich weiter daraus hervorwagten, konnten die Hunde sie vielleicht wittern. Direkt an ihrem Ohr keuchten die Atemzüge des Verrückten. Graues Licht breitete sich aus, verwandelte die Männer, die hinter den Hunden den Bachlauf herabkamen, in Schemen und Gestalten. In ihren Händen konnte sie Spieße und Schwerter erkennen. Einer der Kerle wies über den Teich. » Sie müssen hier sein! Sucht alles ab! « , hallte sein Befehl bis zu ihnen her. Mit leisem Glucksen schlug das Wasser gegen das Ufer hinter ihnen. Auf der anderen Seite stocherten ihre Verfolger mit Spießen und Schwertern im Schilf herum, suchten unter der Oberfläche. Ein paar Mal schlugen Schwertklingen dumpf in Holz. Dann gaben einige der Männer die Suche bei den Sissraweiden auf und kamen quer durch den Teich auf sie zu. Darejan blickte angestrengt in die Finsternis hinter sich. Blaugrauer Meidenfarn bedeckte den Boden unter den Cinjantannen. Seine großen, fächerartigen Blätter hingen über die scheinbar senkrecht aufragende Uferböschung hinter ihnen und tauchten ihre Spitzen ins Wasser. Die mit schimmeligem Moos bedeckte Rinde eines abgestorbenen Baumstammes blitzte unter ihnen hervor. Am Bachlauf stöberten die Hunde das Ufer entlang. Ihr Kläffen war zu einem aufgeregten Japsen geworden. Die Männer kamen immer näher. Nur noch ein kurzes Stück und sie würden sie unweigerlich entdecken. Sie brauchte zwei Schwimmstöße, um den Verrückten näher an den abgestorbenen Baum zu schleppen. Wieder glucksten die Wellen hohl unter den Fächerblättern. Sie langte unter seinem Arm hindurch, hielt sich an der schmierigen Rinde fest und tastete mit der freien Hand unter dem Meidenfarn herum. Ihr Handrücken schrammte über Erde, berührte aber kein Wasser. Vorsichtig streckte sie die Füße unter dem Stamm zum Ufer hin. Zuerst spürte sie keinen Widerstand, doch als sie sich tiefer unter den Baum schob, ertastete sie sacht ansteigenden Schlick. Hinter dem abgestorbenen Stamm schien ein Hohlraum zu sein, doch wie groß er war, vermochte sie nicht zu sagen. Noch einmal blickte sie zu ihren Verfolgern hin. Die Kerle mussten sie jeden Moment entdecken. Sie hatte keine andere Wahl. Selbst für Erklärungen blieb keine Zeit. Entschlossen legte sie dem Verrückten die Hand auf den Kopf und drückte ihn mit aller Kraft unter Wasser und unter dem Baum hindurch, dann tauchte sie selbst hinterher. Darauf gefasst, ihm den Mund zuhalten zu müssen, kam sie direkt neben ihm auf der anderen Seite wieder hoch. Doch obwohl sein Atem schwer ging, wirkte er nicht überrascht. Offenbar hatte er sie beobachtet und begriffen, was sie vorhatte.
» Was war das? « , erklang die Stimme eines Mannes von der anderen Seite der Farnfächer.
» Es kam von da drüben! «
Angespannt spähte Darejan durch die Blätter. Die Männer waren kaum mehr als drei oder vier Armlängen entfernt. Erschrocken schob sie sich von dem Baumstamm zurück, tiefer in den kleinen Hohlraum, prallte aber schon nach kaum mehr als einer Spanne mit dem Kopf gegen Erde. Die Spieße vorgereckt, wateten die Kerle näher heran. Darejan zog die Beine an, machte sich so klein wie möglich, während sie sich gleichzeitig an dem moderigen Baum vor sich festhielt, um nicht unterzugehen. Die Höhlung war nicht tiefer als die Hälfte
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