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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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in den Schleier geschickt haben sollten. Sie kommen mit der Dunkelheit. Ein grau gewandeter Krieger, dessen Gesicht unter einem seltsamen Helm verborgen ist, führt sie auf einem mächtigen, fahlen Streitross an. Aus Nabrod hört man dasselbe. Der Große Rat von Siard hat uns um Hilfe gebeten. Wir können nicht länger auf die Rückkehr der Prinzessin und ihrer Anaren warten. Wir müssen etwas unternehmen, meine Königin. Jetzt! «

31
    S ie gingen noch immer unablässig ostwärts.
    Bis zum Mittag waren sie nur mühsam vorangekommen, obwohl der Wre n Varohn sich ein wenig gelichtet und sie nur kurz Rast gemacht hatten. Die wenigen essbaren Beeren, die Darejan unterwegs gefunden hatte, hatte der Verrückte stets verschmäht, sich aber bei jeder Gelegenheit mit der Gier eines Verdurstenden den Bauch mit Wasser gefüllt.
    Je weiter die Sonne über den Himmel wanderte, umso schleppender wurden seine Schritte. Er stolperte immer wieder. Darejans Angebot, sich auf sie zu stützen, wies er mit barschen Worten zurück. Als sie sich dennoch unter seinen Arm schieben wollte, stieß er sie so grob von sich, dass sie schmerzhaft gegen einen Baum prallte. Daraufhin hielt sie sich von ihm fern.
    Während die Sonne allmählich tiefer sank, machte sich auch sein Fieber wieder mit seiner ganzen Wucht bemerkbar. Schweiß rann ihm in dünnen Rinnsalen über Gesicht und Hals und klebte ihm das zerrissene Hemd auf Brust und Rücken, wo sich dunkle Flecken bildeten. Immer wieder blieb er schwer atmend stehen, stapfte aber jedes Mal rasch weiter, wenn Darejan ihm zu nahe kam. Hatte er den ganzen Tag die Führung übernommen, so fiel er jetzt immer mehr zurück. Als sich die Dämmerung über den Horizont legte und die ersten Schatten sich zwischen den Bäumen einnisteten, wurden seine Augen nach und nach stumpf und trüb. Verwirrt beobachtete sie, wie er immer wieder den Kopf schüttelte, die Finger in den filzigen Schopf grub, ganz so, als würde er gegen irgendetwas ankämpfen. Erst als sie erneut einen Blick in seine Augen erhaschte und dort das inzwischen so vertraute Flackern gewahrte, begriff sie: Es war die Benommenheit des Fiebers, gegen die er sich vergeblich zur Wehr setzte. Als Darejan dieses Mal seine Hand ergriff, ließ er es teilnahmslos geschehen und sich von ihr weiterziehen.
    Aus Angst, in der Nacht vielleicht doch noch von den Grauen Kriegern und ihren anderen Verfolgern aufgespürt zu werden, suchte Darejan mit dem Verrückten unter den ausladenden Zweigen einer Gruppe Cinjantannen Schutz, die sich zusammen mit einem schier undurchdringlichen Dornengestrüpp an den Fuß eines kleinen Hanges schmiegten. Er wehrte sich nicht, als sie ihn an einem der Tannenstämme auf den Boden drückte und sein Hemd anhob, um seine Wunde zu versorgen. Wie am Tag zuvor war der Schnitt rot und geschwollen.
    Fahle Nebelschlieren trieben über die Ebene, auf der sie stand. Soweit ihr Blick reichte, war kein Baum oder Strauch, der ihr hätte Schutz bieten können. Unhörbar gellten Schreie von irgendwoher. Dumpf, voller Qual. Die Schreie eines Mannes und zugleich vieler. Schreie unendlicher Seelenpein, die Schreie Sterbender, das Klirren von Waffen. Und zwischen allem wieder jenes Wispern. Vergiss ihn! Die Worte nisteten in ihrem Verstand wie bitteres Gift. Mit einem hilflosen Wimmern krallte sie die Finger in ihr Bett aus Cinjantannennadeln, spürte, wie Dornen sich in ihre Haut gruben. Lippen aus Eis strichen über ihre, hinterließen eine Spur aus geronnener Kälte ihre Kehle hinab. Du gehörst mir! Sie schrie, raffte sich auf, floh über das nachtfeuchte Gras der Ebene, gefangen in den Dornen des Gestrüpps, das sie unerbittlich festhielt. Blut sickerte aus unzähligen Kratzern über ihre Arme, aufgesogen vom Nebel, ehe es über ihre Haut rinnen konnte. Nur aus dem Augenwinkel sah sie das Schimmern eines Schwertes im roten Licht des Seelenmondes. Sie riss den Kopf herum, doch wo vermeintlich die Klinge war, befand sich nur ein Nebelstreif. Ein Mann hob hinter ihrer Schulter eine Kriegsaxt. Von seinem Arm hing ein zerschlagener Schild. Darejan schrie, wollte sich zu ihm umdrehen, doch wieder war da nichts als Nebel. In ihren Ohren dröhnte ihr Herzschlag unter dem Stöhnen und Flüstern unzähliger Stimmen. Nebel floss über die Ebene dahin, verdichtete sich zu Schleiern und Schatten, trieb davon. Eine Bewegung, wieder nur aus dem Augenwinkel gesehen. Eine Hand streckte sich nach ihr aus, nur noch zerfetztes Fleisch. Sie warf sich vorwärts,

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