Seelenkuss
Réfen vom Pferd gefallen und hat sich den Kiefer an dieser Stelle aufgerissen. «
» Seine Augen waren grau und zugleich braun. Seltsam schillernd. « Er presste die Lider zusammen und rieb sich die Schläfe.
» Das ist Réfen! « , bestätigte sie verwirrt.– Warum sprach er ausgerechnet jetzt von Réfen?
» Nein! « Langsam schüttelte er den Kopf. » Nein! Da war eine Stimme, sie nannte ihn… « Die Linien auf seiner Stirn vertieften sich. » Hauptmann…? «
Wieder nickte Darejan. » Réfen ist der Hauptmann der Garde.– Er ist der Mann, der dich im Kerker gefunden hat. Er hat geholfen, dich zu befreien, und wurde dabei gefangen genommen.– Also kennst du ihn doch! «
» Nein! « Abermals schüttelte er den Kopf, heftiger diesmal. » Ich kenne ihn nicht. Aber… ich erinnere mich an ihn.… An ihn und… an Kälte… und Schmerz. « Er schwankte jetzt ruckhaft vor und zurück, vor und zurück.
» Was soll das heißen: Du kennst ihn nicht, aber du erinnerst dich an ihn? « , wollte Darejan unsicher und ungeduldig zugleich wissen. Er schien sie überhaupt nicht zu hören.
» Ich… ich habe mit ihm gekämpft. « Die Worte kamen immer hastiger, atemloser. Etwas in seinem Tonfall jagte ihr ein Schaudern über den Nacken. » Ein Messer… Ich wollte ihn töten… Nein!… Ich wollte… wollte, dass er mich… tötet. « Seine Stimme verebbte.
Er hatte die Finger in seinen wirren Schopf gekrallt, schüttelte erneut den Kopf, wieder und wieder, bis er mit einem Heulen die Fäuste ins Wasser hieb, dass es hoch aufspritzte. » Ich erinnere mich nicht! An nichts! An gar nichts! « , schrie er mit überkippender Stimme, sprang jäh auf, taumelte vornüber, fing sich im letzten Moment, patschte durch den Bach und stolperte auf der anderen Seite zwischen den Bäumen davon. Einige Atemzüge starrte Darejan ihm entsetzt hinterher, dann rannte sie ihm nach.
Sie fand ihn schon nach kaum hundert Schritten. Er kauerte vor einer knorrigen Cinjantanne, hatte die Stirn gegen die Rinde gepresst und hieb immer wieder mit den Fäusten auf den Stamm ein. Seine Fingerknöchel waren aufgerissen und bluteten. Darejan kniete sich hinter ihn, ohne ihn zu berühren, und versuchte zu verstehen, was er zwischen scheinbar zusammengebissenen Zähnen hervorstieß. Es gelang ihr nicht.
» Was meinst du damit? Du kannst dich an nichts erinnern « , fragte sie schließlich in sein Keuchen und Murmeln hinein.
Er fuhr so abrupt zu ihr herum, dass sie zurückzuckte. » Bist du blöd oder taub? Was kann man da nicht begreifen, Hexe? « , brüllte er sie an. Seine Hände schlossen sich schmerzhaft um ihre Arme. » Ich meine genau das, was ich sage: Ich kann mich an nichts erinnern! An gar nichts! Noch nicht einmal an meinen Namen. « Er schüttelte sie bei jedem Wort. In seinen Augen brannte Wut, doch tief darunter glaubte Darejan auch Verzweiflung zu sehen. Bevor sie etwas sagen konnte, stieß er sie mit einer solchen Gewalt von sich, dass sie fiel und hart auf dem Rücken landete. Bestürzt verfolgte sie, wie er aufsprang. Doch dieses Mal entfernte er sich nur ein paar zornige Schritte von ihr, ehe er mit gesenktem Kopf und geballten Fäusten schwer atmend wieder stehen blieb. » In meinem Schädel ist nichts! Nichts! Nichts außer Schmerz und Leere. « Er presste die Hände gegen die Schläfen, stieß die Worte keuchend hervor. » Und jedes Mal, wenn ich versuche, mich zu erinnern, verwischt die Welt, dann bin ich an einem nebligen Ort voller Qual, aus dem kein Weg hinausführt. « Die Wut war aus seiner Stimme gewichen. Mit einem Stöhnen brach er in die Knie, krümmte sich vornüber und schlang die Arme um sich.
Darejan starrte ihn fassungslos an. Er hatte sein Gedächtnis verloren, wusste noch nicht einmal mehr seinen eigenen Namen? War das der Grund für seinen Wahnsinn? Wie konnte ein Mensch so etwas ertragen? Zu leben, ohne zu wissen, wer er war.
Ein langer Atemzug ließ Darejan aufsehen. Der Verrückte hatte den Kopf gehoben.
» Wir müssen weiter. Dass Nakeen uns ein wenig Zeit erkauft hat, bedeutet nicht, dass sie nicht wieder nach uns suchen werden. « Seine Stimme klang rau, müde. Wankend und sichtlich erschöpft stemmte er sich vom Boden hoch
» Wohin gehen wir? « , wagte Darejan zu fragen und stand ebenfalls auf. Ihre geschundenen Glieder protestierten schmerzhaft.
» Dorthin, wo du die ganze Zeit über hinwillst. Zu den GônCaidur. «
» Dann weißt du, wo die Ordensburg der DúnAnór ist? «
Seine Brauen zogen sich
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