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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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oder ein flinkes Pferd. Dieser Statue hätte jedoch jene kaum beschreibbare Eigenschaft gefehlt, die im Herzen Leidenschaft entstehen lässt. In der Skulptur macht diese Eigenschaft den Unterschied zwischen Kunsthandwerk und Kunst aus. Bei Frauen ist es der Unterschied zwischen reiner erotischer Kraft und einer Schönheit, die Männer verzaubert und demütig macht.
    Schönheit, die ans Herz greift, ist oft unvollkommen, hat jedoch mit Anmut und Freundlichkeit zu tun. Sie weckt eher Zärtlichkeit als Begierde.
    Die Direktheit und Intensität in Daturas blauen Augen verhießen Ekstase und die Erfüllung aller Wünsche, doch dieser Blick war zu scharf, um mich zu erregen. Er fühlte sich weniger an wie der sprichwörtliche Pfeil durchs Herz als wie ein Schnitzmesser, das die Härte des zu bearbeitenden Materials prüfte.
    »Die Kerzen riechen gut«, sagte ich, um zu beweisen, dass ich weder einen trockenen Mund bekommen hatte noch sprachlos geworden war.
    »Die sind mit Iriswurzelöl.«
    »Was es so alles gibt!«
    »Bist du wirklich so unkundig über diese Dinge, Odd Thomas, oder verbirgt sich etwas hinter dem schlichten Gemüt, das du zur Schau trägst?«
    »Ich bin eindeutig unkundig«, versicherte ich ihr. »Nicht nur, was Fingerkraut und Iriswurzelöl angeht. Ganze Bereiche des menschlichen Wissens sind mir völlig unbekannt. Stolz bin ich darauf zwar nicht, aber so ist es eben.«
    Sie hielt ein Glas Rotwein in den Fingern. Während sie es an die vollen Lippen hob, um einen langsamen Schluck zu nehmen und zu kosten, starrte sie mich über den Tisch hinweg an.
    »Die Kerzen sind mit Iriswurzelöl parfümiert, weil dessen Duft die Männer zwingt, der Frau, die diese Kerzen ansteckt,
Liebe und Gehorsam entgegenzubringen.« Sie wies auf eine Flasche Wein und ein zweites Glas auf dem Tisch. »Darf ich dir etwas anbieten?«
    »Sehr gastfreundlich von dir. Aber ich sollte lieber einen klaren Kopf behalten.«
    Wenn das Lächeln der Mona Lisa so ausgesehen hätte wie das von Datura, dann wäre das Gemälde sicher nicht bekannt geworden. »Ja, das solltest du.«
    »Ist das die Fernbedienung, mit der man den Sprengstoff zündet?«
    Nur ihr gefrorenes Lächeln verriet ihre Überraschung. »Na, habt ihr beiden euch gut unterhalten?«
    »Sie hat zwei Tasten. Die Fernbedienung.«
    »Mit der schwarzen löst man die Explosion aus. Mit der weißen wird die Bombe entschärft.«
    Das Gerät lag näher an ihr als an mir. Wenn ich zum Tisch stürzte, würde sie es als Erste ergreifen.
    Eigentlich bin ich kein Typ, der Frauen schlägt. In ihrem Fall hätte ich jedoch eventuell eine Ausnahme gemacht.
    Was mich zurückhielt, war der Verdacht, sie könnte mir ein Messer in die Weichteile rammen, während ich noch damit beschäftigt war, die Faust zu ballen.
    Außerdem befürchtete ich, dass sie auf die perverse Idee kam, die schwarze Taste zu drücken.
    »Hat Danny viel über mich erzählt?«, fragte sie.
    Ich beschloss, mir ihre Eitelkeit zunutze zu machen. »Wie kommt eine Frau mit so vielen Reizen eigentlich darauf, sich mit Telefonsex abzugeben?«
    »Früher hab ich ein paar Pornofilme gedreht«, sagte sie. »Hat anständig Geld gebracht. Aber in dem Geschäft brauchen sie ständig neue Frauen. Da hab ich einen Typ mit einer Firma kennengelernt, die online Pornos verkauft und Telefonsex
anbietet. Die Branche ist eine wahre Goldader. Ich hab ihn geheiratet. Dann ist er gestorben, und jetzt besitze ich die Firma.«
    »Du hast ihn geheiratet, er ist gestorben, und du bist reich.«
    »Ist eben gut für mich gelaufen. Das ist schon immer so.«
    »Du bist die Chefin und nimmst trotzdem noch Anrufe entgegen? «
    Diesmal sah ihr Lächeln ein wenig echter aus. »Es sind so jämmerliche kleine Burschen. Macht Spaß, sie mit Worten total durcheinanderzubringen. Sie merken nicht mal, wie sehr sie erniedrigt werden – und sie bezahlen dafür, dass man sie zum Narren macht.«
    Hinter ihr oszillierte das noch immer weiche Gewitterlicht wie ein von leuchtenden Flügeln geworfener Schleier. Der nachfolgende Donner war jedoch schon scharf und rau, eher ein Grollen als ein Flüstern.
    »Da hat wohl jemand eine Schwarznatter getötet und in einen Baum gehängt«, sagte sie.
    Angesichts der häufig undurchschaubaren Bemerkungen, die Datura von sich gab, hatte ich mich im bisherigen Verlauf des Gesprächs wohl ganz gut gehalten, aber das war jetzt zu viel. »Schwarznatter?«, wiederholte ich perplex. »Baum?«
    Sie zeigte auf den immer dunkler werdenden

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