Seelenlos
drei mordlüsterne Irre verfolgten.
Es fehlten nur noch ein paar doofe, scheinheilige, knapp bekleidete Frauen, ein paar noch doofere, dafür muskelbepackte Männer sowie die Aufgabe, eine Schüssel lebende Würmer zu verzehren, dann hätten wir die idealen Voraussetzungen für eine neue Reality-TV-Serie gehabt.
Ich warf rasch einen Blick in mehrere Räume am Südende des Hauptflurs, um einen Ort zu finden, wo Danny sich verstecken konnte, falls es mir wider Erwarten gelang, ihn von der Bombe zu befreien.
Die Idee, irgendwo das vom Erdbeben aufgehäufte Mobiliar samt einiger Decken zu einem Hohlraum zu arrangieren, in dem ich Danny unterbringen konnte, verwarf ich aber rasch. So ein wackliger Haufen aus Sesseln, Betten und Nachttischen hätte sich beim Versuch, ihn umzustapeln, wahrscheinlich geräuschvoll verlagert und mich verraten, bevor ich fertig war.
Als ich im vierten Zimmer aus dem Fenster blickte, sah ich, dass die Szenerie dunkler geworden war. Eine Armada eisengrauer Wolken hatte ihre Herrschaft auf drei Viertel des Himmels ausgedehnt. Die Landschaft flackerte wie von Mündungsfeuer, und eine Kanonade erschütterte den Tag, noch fern, doch näher als zuvor.
In Gedanken an den gespenstischen Donner, dessen Echo durch den Aufzugschacht gehallt war, wandte ich mich vom Fenster ab.
Der Flur war noch immer verlassen. An Zimmer 1242 vorbei eilte ich nach Norden, bis ich zu den Aufzügen kam.
Neun der zehn Edelstahltüren waren geschlossen. Ein unüberwindliches Hindernis stellte das wahrscheinlich nicht dar, denn sie waren bestimmt so ausgelegt, dass sie von Hand geöffnet werden konnten, falls die öffentliche Stromversorgung ausfiel und auch die Notgeneratoren versagten.
Allerdings waren sie nun schon seit ganzen fünf Jahren zu. Womöglich war ihr Mechanismus verrostet, wenn er nicht schon durch den Rauch verklebt worden war.
Ich fing an der rechten Seite an. In der Mitte der ersten Tür war ein winziger Spalt zu sehen. Ich zwängte die Finger hinein und versuchte, die beiden Flügel aufzuziehen. Der rechte bewegte sich ein wenig, der andere leistete anfangs Widerstand, schob sich dann jedoch ein Stück weit beiseite. Das schabende Geräusch, das dabei entstand, war sicher nicht weit zu hören.
Es reichte aus, die Türen etwa eine Handbreit auseinanderzuziehen, um sehen zu können, dass dahinter keine Kabine wartete. Die befand sich auf einer anderen Etage.
Sechzehn Stockwerke, zehn Aufzüge: Rein statistisch gesehen war es unwahrscheinlich, dass eine Kabine ausgerechnet hier auf der zwölften Etage stehen geblieben war. Womöglich verbarg sich auch hinter den restlichen acht Türen, die noch geschlossen waren, nur ein leerer Schacht.
Noch mieser wurde die Statistik, falls die Aufzüge so programmiert waren, dass sie bei einem Stromausfall mithilfe von Reserveakkus automatisch ins Erdgeschoss schwebten. Dann konnte ich nur darauf hoffen, dass dieser Mechanismus ebenso versagt hatte wie viele andere Sicherheitsvorkehrungen im Hotel.
Als ich die Türflügel losließ, schoben sie sich wieder in die Position, in der ich sie vorgefunden hatte.
Die zweite Tür war fester geschlossen als die erste. Glücklicherweise waren die Ecken abgerundet, um sie im Notfall aufstemmen zu können. In ihren Führungsschienen zitternd, öffneten sie sich mit einem Ächzen, das mich nervös machte.
Keine Kabine.
Diese Türflügel blieben offen stehen, als ich sie losließ. Damit mich ihr Zustand nicht verriet, schob ich sie wieder zu, was sie mit erneutem Zittern und Ächzen quittierten.
Auf dem Rußfilm, der den Stahl bedeckte, hatte ich deutliche Handabdrücke hinterlassen. Ich zog ein Papiertaschentuch hervor und wischte leicht über die Tür, um die Spuren zu verschleiern, ohne einen allzu sauberen Fleck zu hinterlassen, der Verdacht erregen konnte.
Die dritte Tür bewegte sich nicht einmal ansatzweise.
Hinter der vierten Tür, die leise aufging, fand ich tatsächlich eine wartende Kabine. Ich drückte die Flügel ganz auf, zögerte und trat dann in den Lift.
Die Kabine stürzte nicht in die Tiefe, wie ich befürchtet hatte. Mit leisem Ächzen nahm sie mein Gewicht auf, ohne sich auch nur einen Millimeter abzusenken.
Nachdem ich wieder in den Flur getreten war, ging die Tür nur teilweise wieder zu. Ich musste Hand anlegen, um sie ganz zu schließen. Weitere Abdrücke, noch ein Papiertaschentuch.
Ich wischte die rußigen Hände an meiner Hose ab. So, wie die inzwischen aussah, kam es darauf auch nicht
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