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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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mehr an.
    Obwohl mir klar war, was ich nun tun musste, war es so gewagt, dass ich ein oder zwei Minuten in der Aufzugnische stehen blieb und über mögliche Alternativen nachdachte. Es gab keine.
    Dies war einer jener Augenblicke, in denen ich mir wünschte, ich hätte mir mehr Mühe gegeben, meine tief verwurzelte Abneigung gegen Schusswaffen zu überwinden.

    Schießt man auf jemanden, der ebenfalls bewaffnet ist, so neigt der allerdings dazu zurückzuschießen. Das macht die Lage stets komplizierter.
    Wenn man nicht als Erster schießt und zudem nicht gut zielen kann, ist es vielleicht doch besser, keine Pistole zur Hand zu haben. In heiklen Situationen fühlen Leute, die über so ein Ding verfügen, sich Leuten, die keines haben, meistens überlegen; anders gesagt, sie werden überheblich, und dadurch unterschätzen sie ihren Gegner. Ist man hingegen unbewaffnet, so erfordert das eine größere Geistesgegenwart, und nicht nur das: Man muss auch grimmiger und wilder sein als jemand, der sich darauf verlässt, dass seine Waffe für ihn denkt. Deshalb kann es durchaus einen Vorteil darstellen, unbewaffnet zu sein.
    Im Rückblick kommt mir dieser Gedankengang völlig absurd vor. Schon als ich dort vor den Aufzügen stand, war mir das ziemlich klar, aber ich verlor mich trotzdem darin, weil ich mich davon überzeugen musste, in Aktion zu treten.
    Datura.
    Das Blatt in dem vom Mondlicht beschienenen Wasser sank tiefer und geriet in eine träge Strömung, die mich unaufhaltsam weiterzog.
    Ich trat aus der Nische in den Flur. Dort wandte ich mich nach links, dem Nordflügel zu. Dabei gingen mir zwei Fragen im Kopf herum.
    Erstens: Da war eine taffe, gewaltgeile Telefonsex-Dienstleisterin, die nicht alle Tassen im Schrank hatte, auf die aberwitzige Idee gekommen, Danny zu kidnappen, um mich dadurch zur Preisgabe meiner sorgsam gehüteten Geheimnisse zu zwingen. Gut, aber weshalb hatte Dr. Jessup sterben müssen, und dann auch noch auf derart brutale Weise? Einfach nur, weil er zufällig da war ?

    Und zweitens: Diese Wahnsinnige hatte zwei – früher drei – Typen an der Hand, die offenbar bereit waren, jede Sorte Verbrechen zu begehen, um ihr das zu verschaffen, was sie haben wollte. Dabei ging es nicht darum, eine Bank auszurauben, einen Geldtransporter zu überfallen oder mit Drogen zu dealen. Die Frau war nicht auf Geld aus, sondern auf echte Gespenstergeschichten, auf das Gefühl eisiger Finger am Nacken. Es gab also keine Beute, von der die Mitglieder ihrer Bande profitieren konnten. Deren Gründe, Leben und Freiheit aufs Spiel zu setzen, kamen mir einigermaßen rätselhaft vor.
    Natürlich neigten selbst weniger mordlüsterne Männer oft dazu, mit dem Ding zwischen ihren Beinen zu denken statt mit dem Körperteil, in dem zumindest ein wenig Hirn enthalten war. In der Geschichte des Verbrechens gab es mehr als genug Fälle, in denen nicht besonders helle Männer sich von schlimmen Frauen dazu hatten bringen lassen, für ein wenig Sex die übelsten und idiotischsten Taten zu begehen.
    Wenn Datura so verrucht aussah, wie sie am Telefon klang, dann fiel es ihr leicht, bestimmte Männer zu manipulieren. Die Typen, die auf sie hereinfielen, hatten wahrscheinlich mehr Testosteron als weiße Blutzellen in den Adern und keinerlei Gefühl für Recht und Unrecht. Sie standen gern unter Spannung, genossen es, grausam zu sein, und waren nicht in der Lage, an morgen zu denken.
    Als Datura ihr Gefolge zusammengestellt hatte, war bestimmt kein Mangel an Kandidaten gewesen. Man brauchte schließlich nur die Nachrichten anzuschalten, um regelmäßig von derart kaltblütigen Männern zu hören.
    Dr. Wilbur Jessup war also nicht nur gestorben, weil er im Weg gestanden hatte, sondern auch, weil es diesen Leuten Spaß gemacht hatte, ihn umzubringen. Für sie war es sowohl Triebabfuhr wie Jux gewesen, Rebellion in ihrer reinsten Form.

    Als ich vor den Aufzügen gestanden hatte, war es mir noch schleierhaft gewesen, wie Datura ihre Mannschaft zusammengestellt hatte. Nun, nach drei Dutzend Schritten durch den Hotelflur, kam es mir völlig plausibel vor.
    Um mit solchen Zeitgenossen fertig zu werden, brauchte ich jeden Vorteil, den meine spezielle Gabe mir verschaffen konnte.
    Keine der offenen oder geschlossenen Türen, an denen ich vorbeikam, lockte mich an, bis ich schließlich vor der mit der Nummer 1203 stehen blieb. Sie stand eine Handbreit offen.

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    Die Möbel, die sich früher in Zimmer 1203 befunden hatten, waren großteils

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