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Seelenmoerder

Titel: Seelenmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
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uns sagen können, denn wir kombinieren sie mit anderen winzigen Einzelheiten. Es ist wie eines dieser Puzzles mit tausend Teilen. Die kennen Sie doch?«
    Die Frau nickte langsam und sah Abbie aufmerksam an.
    »Sie kippen die Schachtel um, und vor Ihnen liegen zweihundert Stückchen Himmel, und Sie fragen sich, wie in aller Welt Sie die jemals alle aneinanderfügen sollen. Und wenn nur ein Teilchen fehlt, wird womöglich das Ganze nichts. Deshalb ist alles, was Sie uns sagen können, so wichtig. Dinge, die Ihnen belanglos erscheinen, können für uns wichtig sein, weil sie uns helfen, ein Bild des Mannes zu erstellen, der Sie überfallen hat. Solche Täter halten sich an Rituale, und je mehr wir darüber wissen, desto besser können wir sein Verhalten vorhersagen.«
    Barbara befeuchtete ihre Lippen. »Sie glauben … dass er es wieder tut.«
    »Garantiert.« Ryne wünschte, er wäre sich dieser Tatsache nicht so sicher. »Sie waren nicht sein erstes Opfer, und Sie werden nicht sein letztes sein. Es sei denn, wir können ihn aufhalten.«
    »Vielleicht sollten wir ein andermal weitermachen«, sagte Nancy Billings leise zu ihrer Tochter. »Wenn du mehr Kraft hast.«

    »Nein.« Barbara atmete lange und stoßweise aus. »Je eher sie anfangen können, desto eher wird er gefasst.« Sie hielt die Handgelenke mit zusammengepressten Handflächen vor sich hin. »Ich war so gefesselt. Keine Ahnung, womit.«
    »Was war mit Ihren Beinen? Waren die auch gefesselt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe ihn ein paarmal getreten. Zumindest hab ich es versucht. Aber nachdem er mir dieses Zeug gespritzt hat, war ich ganz schwach. Wahrscheinlich habe ich ihn überhaupt nicht verletzt.«
    »Wie hat er reagiert, wenn Sie sich gewehrt haben?« Ryne machte mit seinem Fragebogen weiter.
    »Dann hat er mich erneut geschlagen. Ins Gesicht und auf den Kopf. Manchmal auch auf die Brüste. Er hat einfach auf mich eingedroschen, bis ich jeden Widerstand aufgegeben habe. Ich wollte … ich wollte nur noch, dass er aufhört, mich zu schlagen.«
    »Ja, natürlich«, sagte Abbie in beruhigendem Tonfall. »Dass Sie aufgehört haben, sich zu wehren, hat nichts am Ausgang der Tat geändert, Barbara. Sie hatten keine Chance. Nichts davon war Ihre Schuld.«
    »Er hat die ganze Zeit kein Wort gesagt.« Die Frau rieb mit dem Daumen am Kondenswasser, das sich an dem Glas in ihrer Hand gebildet hatte. »Kein einziges Mal. Das hat das Ganze noch beängstigender gemacht. Es war fast, als wäre er kein Mensch. Und nichts, was ich gesagt habe, ganz egal, wie sehr ich geweint und gefleht habe, hat irgendetwas genutzt.«
    Obwohl sie stockend sprach, schien sie inzwischen eine innere Kraftquelle gefunden zu haben, aus der sie schöpfen konnte. Und das war hilfreich, als Ryne gewissenhaft jedes Detail des Überfalls mit ihr durchging. Wie die Opfer auf dieses Verfahren reagierten, war individuell ganz unterschiedlich. Manche brachen in Tränen aus oder verschlossen
sich total. Andere brachten es nicht fertig, die erniedrigendsten Aspekte der Vergewaltigung zu schildern, da das Grauen sie beim Erzählen aufs Neue überfiel.
    Barbara Billings schien davonzudriften, als würde sie sich auflösen. Der feste Griff, in dem ihre Mutter ihre Hand hielt, schien ihr ebenso wenig bewusst zu sein wie Abbies mitfühlende Miene. Ihr Bericht kam tonlos und ohne jede äußere Regung und war daher vielleicht nur umso grauenhafter.
    Genau wie bei den anderen Opfern war auch ihr Erinnerungsvermögen nach der Spritze verschwommen. Sie wusste noch, dass der Vergewaltiger sich nicht ausgezogen hatte, was mit den Aussagen der anderen Betroffenen übereinstimmte. Sie erinnerte sich an die verschiedenen Arten von sexueller Gewalt, die er ihr angetan hatte, vermochte aber weder die Reihenfolge noch die genaue Anzahl zu nennen. Sie konnte mit entsetzlicher Klarheit schildern, was für Hilfsmittel er benutzt hatte, und hatte weder die unerträglichen Schmerzen noch die Folterungen vergessen, die ihr endlos erschienen waren.
    Doch trotz ihrer Hilfsbereitschaft besaß Ryne gegen Ende seines Fragenkatalogs kaum neue Informationen für seine Unterlagen über den Vergewaltiger.
    »Ms Billings, können Sie sich an irgendwelche plötzlichen Änderungen im Verhalten des Täters erinnern?« Als sie den Kopf schüttelte, hakte er nach. »Es gab keinen speziellen Moment, in dem er plötzlich noch gewalttätiger wurde?«
    Sie antwortete in bitterem Tonfall. »Er war vom ersten Augenblick an

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