Seelenmoerder
Raubtier, eine Endlosschleife in Technicolor voller Details, die besser im Strudel des Vergessens versunken wären.
Ryne hoffte inständig, dass Barbara Billings stark genug für das war, was nun auf sie zukam. Das Schlimmste lag nicht unbedingt bereits hinter ihr. Weiß Gott nicht.
3. Kapitel
Abbie duckte sich unter dem Polizeiabsperrband hindurch und folgte Ryne durch die offene Tür ins Haus von Barbara Billings. Sie war angenehm überrascht und ziemlich erleichtert, als sie gleich an der Tür offene Schachteln mit Gummihandschuhen und Überschuhen stehen sah, und zog sich von beidem sofort ein Paar über. Obwohl es kaum zu glauben war, hatte sie noch vor kurzem erlebt, dass die Ermittler an Tatorten erst daran erinnert werden mussten, Handschuhe zu tragen.
Raiker wäre es natürlich am liebsten gewesen, wenn alle Ermittler sterile Schutzanzüge über ihrer Kleidung getragen hätten. Doch Abbie war schon froh, dass die papierenen Überschuhe das Einschleppen von Partikeln verhinderten, die mit echten Fallspuren verwechselt werden könnten.
Sie trug sich ins Sicherheitsprotokoll ein und betrat mit nach hinten gefalteten Händen das Haus. Ein Mann von der Spurensicherung stand direkt vor ihr am Esstisch, wo er Filmrollen beschriftete und einzeln in Tütchen verpackte, ehe er etwas in ein Notizbuch eintrug. Ein anderer Kriminaltechniker in der Nähe machte eine Skizze des Raums.
Robel war mittlerweile mit Cantrell ins Gespräch vertieft, daher löste sie sich von ihm und durchschritt das Haus, wobei sie darauf achtete, nicht auf die Plastikmarkierungen an zentralen Stellen zu treten. Im Schlafzimmer waren noch mehr Kriminaltechniker und saugten den zuvor in Planquadrate eingeteilten Teppich mit kleinen Spezialsaugern ab. Das Bett war bereits abgezogen und die Bettwäsche einzeln verpackt und etikettiert worden. Auf den weißen Rahmen und den Scheiben der Fenster klebte schwarzes Fingerabdruckpulver. Am Bett hatte man eine zusätzliche Lichtquelle aufgestellt, neben der zwei Schutzbrillen lagen. Offenbar war die Spurensicherung schon fast fertig. Einer der Detectives nahm eine schriftliche Bestandsaufnahme des Inhalts von Schrank und Kommoden vor.
Abbie blieb in der Tür stehen und ließ den Blick langsam durch den Raum schweifen. Die weibliche Note war unverkennbar. An blassrosa Wänden hingen gerahmte Drucke von Blumenbildern. Die Rüschenvorhänge waren bereits ordentlich in Tüten verpackt. Auf dem Bettgestell aus verschnörkeltem weißem Schmiedeeisen lag nur noch eine nackte Matratze voller dunkelbrauner Flecken. Barbara Billings’ Blut.
Die Spuren des brutalen Verbrechens, das dort stattgefunden hatte, standen in scharfem Kontrast zu der zarten femininen Einrichtung. Abbie überlief ein Frösteln, das sie mit einem ungeduldigen Schulterzucken abschüttelte. Abrupt wandte sie sich um und stieß dabei fast mit einem groß gewachsenen Detective zusammen, an den sie sich noch von der Konferenz am Morgen erinnerte. McElroy, der mit der sarkastischen Ader.
»Na, was ist, schlägt Ihnen die Sache auf den Magen?« Er wies mit dem Daumen zur Tür. »Wenn Sie kotzen müssen, gehen Sie auf die andere Straßenseite, damit Sie den Tatort nicht kontaminieren.«
»Falls ich kotzen muss, spreche ich es natürlich vorher mit Ihnen ab.« Da er keine Anstalten machte, ihr aus dem Weg zu gehen, schob sie sich an ihm vorbei, um sich den Rest des Hauses anzusehen.
Sie hielt sich von den anderen Detectives fern und suchte die Seitentür zur Garage, um von dort aus Barbaras Weg in die Küche nachzuvollziehen. An dem Wandbord, wo der Vergewaltiger gelehnt hatte, um seine Beute zu beobachten, blieb sie stehen.
Er musste mit Adrenalin vollgepumpt gewesen sein. Die Szene, die er geplant und sich ausgemalt hatte, entfaltete sich ganz nach seinem Wunsch. Wie lange hatte er sie beobachtet? Eine Minute? Zwei? In dieser Zeit musste sich die Vorfreude zu einem fast unerträglichen Rausch gesteigert haben.
Abbie merkte nicht einmal, dass sie die Position des Täters eingenommen hatte, während sie mit einer Schulter an die Wand gelehnt dastand und blind in Richtung Küche starrte. Der Moment, in dem sein Opfer ihn entdeckte, musste köstlich gewesen sein. Der Schock auf ihrem Gesicht. Der rasche Wechsel zu nackter Angst. Und schließlich
seine Belustigung, während sie verzweifelt nach den Messern suchte, die nicht mehr da waren. Natürlich waren sie nicht mehr da. Er hatte sämtliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen und konnte es
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