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Seelenmoerder

Titel: Seelenmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
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Küche gerichtet. Die Person, mit der sie am wenigsten gerechnet hatte.
    Die Person, mit der sie momentan am allerwenigsten reden wollte.
    »Was willst du denn hier?«, fragte sie unwirsch.
    Ryne wies auf die Hintertür. »Du hast die Hintertür nicht abgeschlossen.«
    Sie nahm eine lockerere Position ein und senkte die Waffe. »Dann ist das also nur eine Sicherheitsüberprüfung? Wolltest du noch einen Eintrag auf deine Liste meiner vermeintlichen Unfähigkeit setzen? Herzlichen Glückwunsch. Trag meinen Leichtsinn ein und dann geh.«
    Sein Blick wanderte über ihren Körper, und erst da wurde ihr bewusst, dass sie in schwarzen Hosen und einem schwarz auf Schwarz gestreiften BH vor ihm stand. Nicht gerade eine Aufmachung, die ihre viel beschworene Kompetenz unterstrichen hätte. Doch inzwischen kümmerte sie längst nicht mehr, was Ryne Robel dachte.
    »Ich wollte nur sagen … ich weiß, dass ich mich vorhin ganz schön blöd benommen habe.«
    »Allerdings hast du dich blöd benommen«, bekräftigte sie. Die Entschuldigung kam unerwartet, doch es gab keinen
Grund, ihn wissen zu lassen, wie sehr sie sich dadurch entwaffnet fühlte. Sie spürte, wie die Wut nachließ, die ihr noch vor wenigen Minuten so allumfassend erschienen war. »Es war ein langer Tag, und ich möchte jetzt schlafen gehen. Wenn ich verspreche, die Tür hinter dir abzuschließen, bleibst du dann endgültig weg?«
    Sein Gesichtsausdruck wandelte sich, und sie begriff, dass er ihr gar nicht mehr zuhörte. Mit wenigen großen Schritten war er bei ihr, nahm ihren verletzten Arm und hob ihn an, um die Wunde zu inspizieren. Grimmig sah er ihr in die Augen. »Was zum Teufel ist das, Abbie?«
    Sie zögerte, da sie ihn nicht in alles einweihen wollte, erst recht nicht angesichts seines vorherigen Auftritts. »Darüber möchte ich nicht reden.«
    »McElroy kann es jedenfalls nicht gewesen sein, er ist ja gerade erst gegangen.« Auf einmal begriff er. »Bist du deshalb heute Morgen zu spät gekommen? Die Sache mit deiner Schwester gestern Abend? Hat sie dir das angetan?«
    Im Hinterkopf war sie fast ein bisschen froh darüber, dass er nicht den Schluss gezogen hatte, sie habe erneut selbstzerstörerische Tendenzen entwickelt, doch das war nur ein schwacher Trost.
    Wieder überfiel sie Müdigkeit, und sie schwankte ein wenig, ehe sie ihm ihren Arm entzog und sich halb abwandte. »Es war ein Unfall. Lass es ausnahmsweise mal gut sein.«
    »Glaubst du nicht, dass ich das täte, wenn ich könnte?«
    Die Bitterkeit in seinem Tonfall erstaunte sie derart, dass sie ihn erneut ansah. Seine betrübte Miene verblüffte sie.
    »Glaub mir, es wäre verdammt viel einfacher, wenn es mir schnurzegal wäre. Wenn der Gedanke daran, dass du verletzt bist und blutest, nicht etwas in mir aufreißen würde, was ich gar nicht fühlen will.« Ein Muskel in seinem Kinn zuckte. »Ich will das nicht. Ich habe nie darum gebeten.«

    Seine Worte erschütterten sie und drohten ihr den letzten Rest an Fassung zu rauben. Sie konnte – wollte – ihn nicht spüren lassen, wie sehr sie sie berührten. »Ich habe nie etwas von dir verlangt.« Zumindest daran konnte sie sich festhalten, obwohl eine innere Stimme in ihr spöttisch lachte. Nein, Abbie Phillips wäre die Letzte, die irgendetwas von einem Mann erwartete. Erwartungen bedeuteten Vertrauen, etwas, was sie nie zu schenken gelernt hatte.
    Ryne schien ihr gar nicht zugehört zu haben. »Es ist mir nicht so schwergefallen, mit dem Trinken aufzuhören, wie du vielleicht denkst. Ich habe nämlich auch ohne Alkohol nichts gespürt, und das war gar nicht so schlecht. Ich konnte meine Arbeit machen. Konnte verdammt viel klarer denken, aber ohne etwas zu empfinden. Und weißt du was? Das war mir ganz recht. Es war das Beste, was mir passieren konnte.«
    »Nein, Ryne«, erwiderte sie ruhig. »War es nicht. Jeder Mensch hat seine eigene Art, mit einem Trauma umzugehen. Aber gar nichts zu empfinden ist kein Zeichen von Heilung. Ganz im Gegenteil.«
    Er fuhr sich unsanft durchs Haar. »Ich war nicht traumatisiert . Ich war blind. Ich habe in Boston auf der Überholspur gelebt. Dixon mag der politische Goldjunge gewesen sein, aber ich war der Cowboy. Es hat mir nie etwas ausgemacht, die gefährlichen Aufträge anzunehmen, verdeckt zu ermitteln und Gangs zu unterwandern. Auch später, als ich Detective wurde, hatte ich noch den richtigen Instinkt für die Arbeit. Ich wusste, dass ich zu viel trank, aber das würde sich nicht auf den Beruf

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