Seelenmoerder
gefunden?«
Er grinste über ihren ungeduldigen Tonfall. »Eine Spritze. Und zwar eine volle. Anscheinend haben wir endlich den Durchbruch geschafft.«
»Falls der Inhalt dem toxikologischen Befund entspricht«, warnte sie, doch das war ein Standardspruch. Sie vermochte ihre heftige Vorfreude angesichts der Neuigkeit kaum zu unterdrücken und streckte impulsiv die Hand aus, um sie ihm auf den Arm zu legen. »Das könnte ein Volltreffer sein.«
Er bedeckte ihre Hand mit seiner und drückte sie sanft. »Ja, gut, es wird aber auch langsam Zeit, was? Ich werde mehr Druck machen müssen als sonst, damit das Labor gleich damit anfängt, aber…« Er zuckte die Achseln. »Ich kann ganz gut drängeln.«
»Kann ich mir vorstellen.« Erst verzögert wurde ihr bewusst, dass sie ihn immer noch berührte. Sie zog die Hand weg und ignorierte die anhaltende Wärme auf ihrer Haut. Eine Welle der Befangenheit überkam sie, und das Schweigen zwischen ihnen hielt an, bis es peinlich wurde.
Ryne löste die Spannung, indem er das Wort ergriff. »Ich sage Ihnen Bescheid, wenn sich etwas Neues ergibt. Aber jetzt muss ich aufs Revier.«
»Klar«, sagte sie zutiefst erleichtert. »Dann bis morgen.« Abbie sah ihm nach, wie er davonging, und sann darüber nach, dass sie sich im Lauf der Jahre vielleicht doch nicht so sehr verändert hatte, wie sie glaubte.
Sie ging seit zwölf Jahren nicht mehr zur Schule, doch Männer wie Ryne Robel ließen sie nach wie vor schleunigst die Flucht ergreifen.
Auf dem Nachhauseweg wählte sie erneut die Nummer ihrer Schwester. Wie erwartet erklang deren Stimme auf der Mailbox und forderte den Anrufer auf, eine Nachricht zu hinterlassen. Abbie sah beim Sprechen in den Rückspiegel und manövrierte rückwärts aus der Parklücke. »Hier ist Abbie. Ich würde dich wirklich gern sprechen, Callie. Kannst du mich morgen zurückrufen?«
Als sie auflegte, war sie merkwürdig erleichtert, Callie nicht erreicht zu haben. Callie reagierte seit Monaten nicht mehr auf ihre Nachrichten, also hatte sich im Grunde nichts geändert. Wahrscheinlich war es eine abwegige Vermutung, dass ihre Schwester sich erst eine ganze Weile abschottete und ihr dann nach Savannah folgte. Zum ersten Mal, seit sie gestern ihr Haus durchsucht hatte, zog sie ernsthaft die Möglichkeit in Betracht, dass der Einbruch genau das war, wovon sie die Polizei zu überzeugen versucht hatte – ein Akt des Vandalismus.
Sie bog an der Ampel ab und fuhr in der fast völlig verlassenen Straße auf ihr Haus zu. Es war traurig, doch sie hätte es unendlich viel lieber mit einem ganz normalen Einbruch zu tun gehabt als mit dem unerwarteten Auftauchen ihrer Schwester.
Der Rauch hing tief über den Billardtischen, und aus der alten Jukebox in der Ecke plärrte Musik. Callie Phillips hob ihr Glas, und der Barkeeper schenkte ihr brav zwei Fingerbreit Tequila nach.
»Hey, Baby.« Der Mann, der an ihrer rechten Seite klebte, beugte sich vor und biss sie in den Nacken. »Dein Hintern klingelt.«
Sie schlug seine Hand beiseite, ehe er nach dem Handy grapschen konnte, das hinten in ihrer Jeans steckte. »Interessiert mich nicht. Alle, mit denen ich reden will, sind hier.«
Der Mann zu ihrer Linken schob eine Hand in ihr enges Top und umfasste eine Brust. »Und was, wenn wir keine Lust zum Reden mehr haben?«
Sie wandte sich um und musterte ihn aus alkoholgetrübten Augen. Seinen Namen hatte sie längst vergessen. Genau wie den des anderen Mannes. Namen waren ohnehin Schall und Rauch. Alles war Schall und Rauch außer dem altbekannten Hunger, der in ihr zu nagen begann und der nur auf eine Art und Weise gestillt werden konnte. Oder vielmehr auf mehrere Arten. Und die beiden unrasierten, tätowierten Männer, die sie den ganzen Abend mit Drinks versorgt hatten, waren ihr auf diesem Gebiet bestimmt nur allzu gern behilflich.
»Wir müssen nicht reden, Herzchen.« Er drückte unsanft ihre Brust, und sie schnappte vor Schmerz nach Luft. Erregung wallte in ihr auf. Ja, diese Typen waren genau das Richtige.
Hinter ihnen am Billardtisch brach ein Streit aus. Der Barkeeper setzte mit einem Baseballschläger in der Hand über den Tresen und marschierte ins Gewühl, wobei er wahllos nach rechts und links ausschlug.
»Gleich kommen die Cops«, sagte der Typ zu ihrer Rechten. »Überleg dir schnell, mit wem du nach Hause gehen willst, Baby. Wir müssen von hier verschwinden.«
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie mit je einer Hand beiden in den
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