Seelenmoerder
wegzog, musste sie ein ungewohntes Bedauern unterdrücken. Auf privater Ebene lief bei ihr nichts. Schon seit mehr Jahren, als sie zählen konnte. Es war besser so. Nicht so kompliziert.
»Bis wann erfahren Sie, ob das Blut aus dem Auto dem von Barbara Billings entspricht?« Sie nahm einen Zehner heraus und reichte ihn ihm für ihren Anteil an der Rechnung. Er winkte ab und gab der Bedienung, die erneut neben ihm stehen geblieben war, Rechnung und Geld.
»Die Blutprobe ist bereits im Labor, und der Test ist nicht kompliziert. Wahrscheinlich machen sie es gleich morgen früh.« Abbies hochgezogene Brauen reizten ihn zu einem sardonischen Grinsen. »Ich weiß nicht, was für Strippen Dixon gezogen hat, um diesem Fall hohe Priorität einzuräumen, aber ich will mich nicht beklagen. Die Staatsanwaltschaft hat schon einen Durchsuchungsbefehl für Juárez’ Wohnung aufgesetzt, also stehen wir bereit, falls die Ergebnisse ausfallen wie erwartet.«
Er stand auf, und sie folgte ihm aus dem Lokal. Es war schon nach Mitternacht, und auf der Straße hinter dem Parkplatz herrschte kaum noch Verkehr. Falls Savannah
ein pulsierendes Nachtleben besaß, fand es mit Sicherheit woanders statt. »Wenn Juárez’ Wohnung durchsucht wird, wäre ich gern dabei«, sagte Abbie, als sie neben ihrem Auto stehen blieben.
»Kein Problem. Das haben Sie sich nach dem heutigen Tag verdient.«
Sie nickte zufrieden. Wenn die Ereignisse des vergangenen Tages erforderlich gewesen waren, um sich wenigstens zum Teil den Respekt des Mannes zu verdienen, dann hatte sie die Zeit gut genutzt. Langsam wurde ihr allerdings ein Knie etwas steif und demonstrierte ihr damit, dass sie aus dem Zusammenstoß mit dem Verdächtigen nicht unverletzt hervorgegangen war.
»Geben Sie mir doch Ihre Telefonnummer, falls ich Sie mal außerhalb der Bürozeiten erreichen muss.«
Abbie rasselte die Nummer herunter, und Ryne gab sie ins Adressbuch seines Mobiltelefons ein. Sie sah ihm dabei zu und fühlte sich einen Moment lang wie eine Schülerin, die dem beliebtesten Jungen der Schule ihre Telefonnummer gibt, ehe sie unwillkürlich den Kopf schüttelte, um den Gedanken zu verdrängen. Sie brauchte eindeutig Schlaf. Als Schülerin hatte sie sich von Jungen ferngehalten, und wenn ein Typ, der auch nur die geringste Ähnlichkeit mit Ryne Robel hatte, auf sie zugegangen wäre, hätte sie schleunigst die Flucht ergriffen.
»Alles klar.« Er klappte das Telefon zu und steckte es ein. »Am besten speichern Sie meine Nummern auch auf Ihrem Handy ab«, sagte er und gab ihr seine Visitenkarte, ehe er nahtlos das Thema wechselte. »War der Glaser heute bei Ihnen?«
Sie nahm die Karte und steckte sie ein. »Er kommt morgen. Und die Sicherheitsfirma Ende der Woche.« Er wirkte nicht erfreut über ihre Antwort, doch sie hatte keinen früheren
Termin bekommen. »Ich glaube sowieso nicht, dass die Einbrecher wiederkommen. Sie haben doch schon gesehen, dass dort nichts zu holen ist.«
»Ich könnte für Sie bei der Sicherheitsfirma anrufen. Manchmal brauchen sie einen kleinen Schubs …« Auf ihren Blick hin hob er die Hände, als wollte er einen Streit abwenden. »Okay. Dann eben Ende der Woche.«
Sie zog die Autotür auf. »Danke für das Essen.«
Als er gerade antworten wollte, klingelte sein Handy. Abbie hielt inne und sah sich um. Wenn es eine neue Spur in ihrem Fall gab, wollte sie davon wissen. Falls es etwas Privates war, konnte sie sich immer noch fürs Lauschen entschuldigen.
Ryne wandte sich halb ab und meldete sich nur knapp mit »Robel«. Sie bemerkte, wie er beim Zuhören plötzlich starr wurde. Schließlich warf er ihr einen Blick zu, sein Gesicht eine Maske grimmiger Genugtuung.
»Gute Arbeit. Das könnte die Spur sein, auf die wir gewartet haben.«
Ihr Puls wurde schneller. Der Anruf musste mit dem Fall zu tun haben, aber von wem kam er? Von der Spurensicherung? Von einem der anderen Detectives? Mit wachsender Ungeduld versuchte sie aus seiner Hälfte des Gesprächs eine Antwort herauszufiltern, doch er gab sich nervtötend zugeknöpft.
»Da haben Sie richtig gedacht. Ich bin in fünfzehn Minuten da.«
Als er das Telefon einsteckte, fragte sie nach. »Was gibt es? Hat die Spurensicherung in dem Fahrzeug noch etwas anderes entdeckt?«
»Kann man wohl sagen. Balkins meinte, sie hätten sie fast übersehen, wenn sie nicht die Rückbank ausgebaut hätten. Sie war ziemlich tief reingesteckt …«
Bestimmt machte er das mit Absicht. »Was denn? Was haben sie
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