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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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die Hand zurückzog, rollte die Maus über ihre Matte.
    »Und?«, fragte eine Stimme dicht an meinem Ohr. »Hast du vor, einfach weiter hier rumzustehen?«
    Liz stand neben mir. Sie zeigte mit dem Finger auf die Lesezimmertür.
    »Los!«
    Ich vergewisserte mich, dass Dr. Davidoff mir den Rücken zuwandte, und schob mich vorsichtig durch die Tür.
    »Schließ ab!«, zischte sie.
    Ich drehte am Schloss. Die Stifte begannen wieder zu rasseln und übertönten das Klicken der zufallenden Tür.
    Liz kam durch die Wand und winkte mich zum Sessel hinüber, als scheuchte sie eine Katze vor sich her. Ich hatte mich kaum mit dem Buch auf dem Schoß zurückgelehnt, da ging die Tür auf.
    Dr. Davidoff sah sich langsam im Zimmer um. Ich folgte seinem Blick und runzelte die Stirn, als fragte ich mich, was er eigentlich suchte. Ich zwang mich, meinen Blick dabei einfach über Liz hinweggleiten zu lassen, die mittlerweile auf einem Tischchen saß.
    »Dr. Davidoff?«
    Er antwortete nicht, sah sich einfach weiter im Zimmer um.
    »Haben Sie irgendwas vergessen?«, fragte ich.
    Er murmelte etwas davon, nachsehen zu wollen, wie es mit dem Abendessen aussah, und ging, nicht ohne in der Tür noch einmal stehen zu bleiben und einen letzten langen Blick durchs Zimmer zu werfen.
    »Danke«, sagte ich zu Liz, nachdem Dr. Davidoff mich wieder eingeschlossen hatte. »Ich weiß, dass du sauer auf mich bist, weil ich gesagt habe, du bist tot …«
    »Weil ich offensichtlich nicht tot bin, richtig? Du hast gesagt, der Grund dafür, dass ich nichts berühren kann, wäre, dass ich ein Geist bin.« Sie lächelte zufrieden, zog die Knie an und legte die Arme um sie. »Also hab ich mir mehr Mühe gegeben, irgendwelches Zeug von der Stelle zu bewegen. Wenn ich mich konzentriere, kann ich’s. Das bedeutet, ich muss wohl eine Schamanin sein.«
    Ich hatte versucht, ihr zu erklären, warum ich ihr nicht schon früher gesagt hatte, dass sie ein Geist war. Ich hatte gesagt, ich hätte erwogen, dass sie eine Schamanin sein könnte. Derek hatte mir erzählt, dass Schamanen astralprojizieren konnten – außerhalb ihrer Körper erscheinen.
    »Die haben mich vollkommen unter Medikamente gesetzt«, fuhr Liz fort. »Deswegen bin ich auch dauernd so durcheinander. Ich kann nicht aufwachen, also ist stattdessen mein Geist unterwegs.«
    Sie ließ die Beine wieder baumeln, beschrieb Achterformen mit den Füßen und sah zu, wie die Giraffen auf ihren Socken tanzten. Sie glaubte selbst nicht an das, was sie sagte. Sie wusste, dass sie tot war. Aber sie war noch nicht bereit, sich dem zu stellen.
    Und was das Bewegen von Gegenständen betraf – Dr. Davidoff hatte gesagt, dass es einen Typ von Geist gab, der es tatsächlich konnte: der eines telekinetisch begabten Habdämons. Wenn Liz wütend geworden war, hatten sich Gegenstände in Bewegung gesetzt und waren auf denjenigen losgegangen, über den sie sich geärgert hatte. Und jetzt, als Geist, hatte sie schließlich gelernt, ihre Kräfte gezielt einzusetzen.
    Im Leben hatte Liz geglaubt, einen Poltergeist zu haben. Jetzt im Tod war sie selbst einer. Sie konnte es einfach nur noch nicht akzeptieren. Und ich würde sie bestimmt nicht dazu zwingen.

[home]
8
    Z um Abendessen gab es Spaghetti mit Fleischklößchen, Raes Lieblingsgericht. Ich konnte nichts essen, nippte nur an einem Glas abgestandener Cola herum, aber Rae bemerkte meinen Mangel an Appetit gar nicht. Sie war wie ein Kind, das gerade aus dem Sommerlager zurückgekommen ist. Sie hatte so viel zu erzählen, dass es in einem ununterbrochenen Schwall aus ihr herausbrach.
    Sie hatte eine Trainingseinheit, eine Lektion in Dämonologie und ein langes Gespräch mit Dr. Davidoff hinter sich. Er hatte ihr von ihrer Mutter erzählt und von den Hoffnungen, die er hegte, wieder Kontakt mit ihr herstellen zu können. Und während sie redete, konnte ich nichts anderes denken als:
Wir sind genetisch manipuliert. Wir sind Frankensteinsche Monster –
fehlerhafte
Frankensteinsche Monster. Und ich habe keine Ahnung, wie ich dir das beibringen soll.
    »Ich hab heute Brady gesehen«, platzte ich schließlich heraus.
    Rae erstarrte, die Gabel erhoben. Spaghettienden baumelten. »Brady? Im Ernst? Der ist hier? O mein Gott, das ist so cool.« Sie grinste mich an. »Und weißt du, was er als Allererstes zu uns sagt? ›Hab’s euch doch gleich gesagt.‹ Er hat dauernd gesagt, mit ihm wär alles in Ordnung, hier wäre einfach nur irgendwas Komisches im Gang …«
    »Er ist tot,

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