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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Entschuldigung für die Unterbrechung, Mädchen«, sagte er, »aber ich muss mit Chloe reden.«
    Ich stand auf. »Natürlich, wo …?«
    »Bleiben wir doch gleich hier.«
    Er ließ sich Zeit damit, sich auf einem der Stühle zurechtzusetzen. Ich spürte, wie mir der Schweiß am Nacken entlangrann wie bei einem Schüler, der vor die Klasse gerufen wird.
    »Wir wissen die Hilfe zu schätzen, die du uns bei unserer Suche nach Simon geleistet hast, Chloe. Wie ihr Mädchen ja alle wisst, wir machen uns große Sorgen.«
    »Natürlich«, sagte Rae. »Er braucht seine Medizin. Wenn ich eine Ahnung hätte, wo er steckt, würde ich’s Ihnen …«
    Sie unterbrach sich und sah mich an. Tori tat das Gleiche, und mir wurde klar, warum er mir diese Predigt nicht unter vier Augen hielt.
    »Ich habe Ihnen die paar Orte genannt«, sagte ich rasch. »Mehr weiß ich auch nicht.«
    »Sie waren nicht dort, Chloe«, antwortete Dr. Davidoff. »Deshalb haben wir dein Angebot noch einmal erwogen. Wir würden dich gern mitnehmen, wenn wir uns heute Nachmittag wieder auf die Suche nach ihnen machen.«
    Das Rumpeln, das ich in diesem Moment hörte? Das Geräusch, mit dem zwei Binsenweisheiten zusammenstoßen. Erstens: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Zweitens: Wenn es sich anhört, als wäre es zu gut, um wahr zu sein, dann ist es wahrscheinlich auch genau das. Ich war in den letzten paar Tagen so oft belogen und getäuscht worden, dass ich bei diesem Gaul nicht nur die Zahnhygiene anzweifelte – ich würde das Vieh von der Nase bis zum Schwanz unter die Lupe nehmen.
    »Sie wollen, dass ich mit Ihnen losziehe?«
    »Ja, und mit etwas Glück werden die Jungs dich sehen und aus ihrem Versteck kommen. Es gibt da nur ein Problem.«
    Oh, ich war mir vollkommen sicher, dass es bei diesem Szenario sehr viel mehr als nur ein Problem gab.
    »Die Orte, die du uns genannt hast, kommen uns ein bisschen unwahrscheinlich vor«, fuhr er fort. »Die Jungs sind intelligent, und ihr Dad hat ihnen einiges beigebracht. Sie dürften sich entweder einen sehr abgeschiedenen oder einen sehr öffentlichen Ort ausgesucht haben, und die Stellen, die du uns genannt hast, sind keins von beiden. Wir glauben, es könnte noch einen gegeben haben, den du vielleicht einfach vergessen hast.« Er legte eine Pause ein und fing meinen Blick auf. »Wenn dem nicht so ist, gibt es eigentlich keinen Grund, dich mitzunehmen.«
    Das zweite Rumpeln? Das Geräusch, mit dem das dicke Ende hinterherkam. Dr. Davidoff wusste, warum ich so gern mitgekommen wäre, und hatte beschlossen, sich auf das Spiel einzulassen. Sollte ich es wagen, es ebenfalls zu tun?
    »Komm schon, Chloe«, flüsterte Rae.
    »Du bildest dir hoffentlich nicht ein, dass du sie beschützt, wenn du den Mund hältst«, sagte Tori. »Simon ist krank, Chloe. Wenn er stirbt, dann hoffe ich, dass er dich als Geist besucht, bis …«
    »Es reicht, Tori«, sagte Dr. Davidoff.
    »Ich … eine Idee hätte ich vielleicht noch«, sagte ich. O Gott, die sollte mir jetzt aber auch echt noch
dringend
einfallen. Aber ich hätte Zeit gebraucht, um mir etwas Brauchbares zu überlegen, und die hatte ich nicht. Also dachte ich mir hektisch irgendwas aus und stolperte durch die lahme Story, wie Derek und ich über diesen Fabrikhof gerannt waren, bis wir endlich ein Versteck gefunden hatten – vielleicht hatte er ja gemeint, dass dies unser Treffpunkt sein sollte? Allerdings war es dunkel gewesen, und wir waren durch so viele Gebäude gerannt, dass ich mir nicht mehr ganz sicher war, in welchem wir uns letzten Endes versteckt hatten. Aber ich würde es erkennen, wenn ich es sah …
    Dr. Davidoff lächelte, und ich wappnete mich für die Entgegnung, dass er mir nichts davon glaubte. Aber er sagte nur: »Dann ist es ja ein Glück, dass du mitkommst, nicht wahr?«
    »Ich auch«, forderte Tori. »Seit wir hier sind, bin ich kaum aus meinem Zimmer gekommen, und
draußen
bin ich nicht gewesen, seit Chloe nach Lyle House gekommen ist. Ich will auch mit.«
    »Das ist keine Schulexkursion«, murmelte Rae.
    »Ich weiß das Hilfsangebot zu schätzen, aber das wird nicht nötig sein«, sagte Dr. Davidoff.
    »Sie denken, ich will
helfen?
Ja, ich kann mich umsehen, wegen Simon. Aber ich muss eigentlich shoppen gehen.«
    »Shoppen?« Dr. Davidoff starrte Tori an, als glaubte er sich verhört zu haben. Wir alle taten das.
    »Wissen Sie, wie lang es her ist, seitdem ich das letzte Mal was Neues bekommen habe? Es ist Frühjahr, und

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