Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
Vom Netzwerk:
Rae. Ich hab seinen Geist kontaktiert.«
    Sie blinzelte. Ein einziger langsamer Lidschlag, und dann war es, als habe jemand jeden einzelnen Muskel in ihrem Gesicht betäubt, und es war vollkommen ausdruckslos, die Augen leer, blicklos.
    »E-es tut mir leid. Ich wollte damit nicht so plötzlich raus…«
    »Was hast du eigentlich für einen Grund, dir so eine«, sie schien die Worte durchzugehen, nach dem Treffendsten zu suchen, bevor sie es ausspuckte, »so eine
gemeine
Lüge auszudenken?«
    »Lüge? Nein! Ich würde dich nie …«
    »Warum machst du das, Chloe?«
    »Weil wir hier in Gefahr sind. Wir sind alle genetisch manipuliert, und es hat nicht richtig funktioniert. Die Edison Group hat Liz und Brady umgebracht, und …«
    »Und es ist bloß eine Frage der Zeit, dass sie uns auch umbringen, stimmt’s?
Buah-hah-hah!
Du siehst wirklich zu viele Filme, was? Und jetzt haben die Jungs es auch noch geschafft, dir ihren ganzen Verschwörungstheorien-Mist einzureden.«
    »Verschwörungstheorien?«
    »Das ganze Gerede über Lyle House und diese schlechten, schlechten Leute, für die Simons Dad gearbeitet hat. Diese Typen haben dir das Gehirn dermaßen gründlich gewaschen, dass du jetzt die Edison Group zu den bösen Buben machen musst. Also erzähl mir bitte keine Geschichten davon, dass Liz und Brady tot sind.«
    Meine Stimme war plötzlich genauso kalt wie ihre. »Du glaubst mir nicht? Schön. Ich beschwöre Liz und frage sie etwas, das nur sie beantworten kann.«
    »Gib dir keine Mühe.«
    Ich stand auf. »Nein, wirklich, gar kein Problem. Dauert nur einen Moment.«
    Als ich die Augen schloss, hörte ich die Beine ihres Stuhls auf dem Fußboden quietschen. Finger schlossen sich um meinen Unterarm. Ich öffnete die Augen und sah ihr Gesicht wenige Zentimeter vor meinem.
    »Spiel hier keine Spielchen, Chloe. Ich bin mir sicher, du kannst mir einreden, Liz wäre hier.«
    Als ich ihr in die Augen sah, entdeckte ich einen Schimmer von Furcht. Rae wollte mich Liz nicht beschwören lassen, weil sie die Wahrheit gar nicht hören wollte.
    »Lass mich einfach …«, begann ich.
    »Nein.«
    Sie packte fester zu, ihre Finger waren plötzlich sengend heiß. Ich keuchte und zuckte zurück. Sie ließ mich abrupt los, und ein entsetzter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. Sie setzte zu einer Entschuldigung an, unterbrach sich dann, marschierte quer durchs Zimmer, rief die Rezeption an und teilte ihnen mit, wir wären mit dem Abendessen fertig.
     
    Ich war geradezu froh darüber, in meine Zelle zurückkehren zu können. Ich musste mir überlegen, wie ich Rae davon überzeugen konnte, dass wir flüchten mussten … und was ich tun würde, wenn es mir nicht gelang.
    Ich musste hier raus. Diese Fragezeichen neben Dereks Namen konnten ja nur bedeuten, dass sie noch nicht entschieden hatten, wie es mit ihm weitergehen sollte – was ich ja eigentlich schon gewusst hatte. Aber die gleichen Fragezeichen standen auch neben meinem eigenen Namen.
    Ich musste mir schleunigst einen Fluchtplan einfallen lassen. Aber in der Sekunde, in der ich mich auf meinem Bett ausstreckte, um mit dem Nachdenken anzufangen, stellte ich fest, dass die Cola beim Abendessen nicht einfach nur abgestanden gewesen war. Sie hatte außerdem ein Schlafmittel enthalten.
    Ich fiel in einen traumlosen Schlaf und wachte erst wieder auf, als mich jemand an der Schulter berührte. Ich öffnete die Augen und schaute direkt in das Gesicht von Sue, der grauhaarigen Frau, die ich in dem Fabrikhof bei unseren Verfolgern gesehen hatte. Jetzt stand sie da und lächelte wie eine freundliche Krankenschwester auf mich hinunter. Mein Magen verkrampfte sich, und ich musste den Blick abwenden.
    »Zeit zum Aufstehen, Liebes«, sagte sie. »Dr. Davidoff hat dich heute ausschlafen lassen, aber du hast ein volles Nachmittagsprogramm vor dir, und ich bin mir sicher, du willst die Lektionen nicht verpassen.«
    »N-Nachmittag?«, wiederholte ich, während ich mich aufsetzte. »Wie spät ist es?«
    »Fast halb zwölf. Rachelle und Victoria sind gleich mit dem Vormittagsunterricht fertig, ihr trefft euch im Esszimmer zum Mittagessen.«

[home]
9
    Z um Mittagessen gab es vegetarische Wraps, Salat und Mineralwasser – offenbar Toris Wahl. Rae sagte höflich hallo, als ich hereinkam, und dann kein weiteres Wort. Aber wenigstens sah sie mich an, was mehr war, als man von Tori hätte sagen können.
    Wir waren gerade fertig geworden, als Dr. Davidoff ins Zimmer kam.
    »Ich bitte um

Weitere Kostenlose Bücher