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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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sagte sie.
    »Nein. Ich …«
    Und schon hatte Mrs. Enright sich wieder erholt. Ihre Hände flogen nach oben, als sie die nächste Formel schleuderte. Tori riss mich aus dem Weg, und der Zauber traf auf die Wand des Fabrikgebäudes auf und hinterließ einen geschwärzten Trichter.
    »Du kannst dich gegen sie wehren«, sagte ich. »Halt sie auf, ich gehe das Gewehr …«
    »Kann ich nicht.«
    Tori zerrte an meinem Arm. Ich wehrte mich. Sie murmelte: »Schön«, ließ los und stürmte davon. Ich sah sie um die Ecke verschwinden. Ihre Mutter hob erneut die Hände. Dann brüllte eine Stimme: »Sie sind hier drüben!«, und lenkte sie ab.
    Ich warf einen letzten Blick auf Tante Lauren und rannte los.
     
    Es war undenkbar, dass wir es jetzt noch bis zu der Lieferanteneinfahrt schaffen würden. Mir wurde schnell klar, warum Tante Lauren uns vorausgeschickt hatte: Sie hatte uns den Rücken decken wollen, denn jeder Arbeiter, der den Nebenhof betrat, würde uns sehen können – und den Alarm auszulösen, konnten wir uns wirklich nicht leisten.
    Wir spähten um die Ecke des nächsten Gebäudes, sahen die offene Fläche, hörten Stimmen näher kommen und wussten, dass wir es nie im Leben schaffen würden.
    »Was jetzt?«, fragte Tori.
    Ich antwortete nicht.
    »Na los!«, zischte sie. »Wie sieht der Plan aus?«
    Ich wollte sie packen und schütteln und ihr sagen, dass es keinen Plan gab. Ich konnte den Gedanken nicht einmal wirklich begreifen. Meine Tante konnte tot sein.
Tot.
Das war alles, woran ich denken konnte.
    »Chloe!«, flüsterte Tori. »Schnell! Was machen wir jetzt?«
    Ich sehnte mich danach, ihr zu sagen, dass sie mich einfach in Frieden lassen, sich selbst etwas überlegen sollte. Dann sah ich ihre Augen, blank vor Furcht, die schnell zu Panik wurde, und die Worte erstarben mir in der Kehle.
    Sie hatte gerade erst erfahren, dass Liz tot war. Sie hatte gesehen, wie ihre Mutter möglicherweise meine Tante umgebracht hatte. Keine von uns war in der richtigen Verfassung, um nachzudenken, aber eine von uns würde es tun müssen.
    »Deine Tante hat gesagt, keiner von der Edison Group will sich am Haupteingang blicken lassen«, sagte sie jetzt. »Wenn wir einfach losrennen …«
    »Dann werden sie ganz schnell ihre Meinung ändern. Oder uns irgendwie den Weg abschneiden. Aber …« Ich sah mich um. Mein Blick blieb an dem riesigen Gebäude hängen, das den ganzen Hof beherrschte. »Die Fabrik.«
    »Was?«
    »Bleib dicht hinter mir.«
     
    Ich kannte zwei Türen – den Notausgang, durch den wir in der Nacht zum Sonntag geflüchtet waren, und den Haupteingang, den Derek zuvor aufgebrochen hatte. Der Haupteingang war näher. Als wir hinüberliefen, flüsterte ich Liz zu, sie solle vorauslaufen und nachsehen, ob die Luft rein war. Wenn jemand kam, sollte sie pfeifen.
    Die Tür lag in einer Nische. Ich rannte hinein und drückte mich an die Wand, während Liz durch die Tür verschwand. Sie war nach einer Sekunde zurück.
    »Geradeaus sitzt ein Wachmann«, sagte sie. »Den lenke ich ab. Mach die Tür einen Spalt weit auf und warte auf meinen Pfiff. Du weißt, wo du dich verstecken kannst?«
    Ich nickte. Als wir am Samstag hier gewesen waren, hatte Derek auf der Suche nach einem Ausgang sämtliche Türen geöffnet, und ich erinnerte mich an einen Lagerraum, der sich bestens für uns eignete.
    Als Liz pfiff, schob ich die Tür vorsichtig auf. Hinter mir zappelte Tori ungeduldig herum, obwohl ich sie gebeten hatte, ein Auge darauf zu haben, ob jemand kam.
    Im Inneren sah ich Liz an einer geschlossenen Tür etwa sechs Meter vom Eingang entfernt stehen. Der Wachmann stand neben ihr und starrte auf den Türknauf hinunter, der sich langsam drehte, erst in die eine, dann in die andere Richtung.
    Wir drückten uns vorbei. Ich hörte das ferne Rumpeln von Maschinen, dazu die Rufe und das Lachen der Arbeiter, aber in diesem Teil des Gebäudes war es still.
    Wir schafften es ohne Schwierigkeiten in den Nebengang, während der Wachmann gebannt den sich drehenden Türknauf anstarrte.
    Liz kam angerannt. »Wohin jetzt?«
    Ich zeigte den Gang entlang. Sie rannte voraus, verschwand um die Ecke und pfiff. Wir hatten weiterhin Glück und schafften es ohne Zwischenfälle in den Lagerraum. Als die Tür hinter uns zufiel, hörte ich die Stimme des Wachmanns im Gang draußen widerhallen.
    »Hey, Pete, komm mal her! Das musst du dir ansehen. Der Knauf hier hat sich von allein gedreht – ich sag’s dir, seit Dan damals den Kopfsprung in

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