Seelennacht
die Brüche, und du hast allen Ernstes geglaubt, ich wollte
shoppen
gehen? Du kennst mich keine Spur besser als sie.« Sie wedelte mit der Hand in meine Richtung. »Du …«
Tori keuchte und stolperte rückwärts, als ihre Mutter sich befreite und eine Formel in ihre Richtung schleuderte.
»Du musst noch eine Menge lernen, Tori, wenn du glaubst, du könntest mich verletzen.«
Tori hielt den Blick ihrer Mutter fest. »Du glaubst, ich bin hergekommen, um mich zu rächen? Das hier nennt man eine Flucht.«
»Flucht? Du hast also vor, wegzulaufen und auf der Straße zu leben? Daddys kleine Prinzessin will in Türnischen schlafen?«
Toris Augen blitzten auf, aber sie sagte ruhig: »Ich komme schon zurecht.«
»Aha, wie denn? Hast du Geld mitgenommen? Eine Bankkarte?«
»Wie hätte ich an so was rankommen sollen, nachdem du mich eingesperrt hast?«
»Ich wette, Chloe hat welches. Ich wette, sie hat ihr Zimmer nie ohne Geld verlassen, nur um gerüstet zu sein.«
Sie sahen mich an, alle beide. Ich sagte nichts dazu, aber man muss mir die Antwort angesehen haben, denn Mrs. Enright lachte.
»Oh, ich komme schon an Geld, Mom«, sagte Tori. »Ich nehme es von dir.«
Sie riss beide Arme nach unten, und eine Welle von Energie schlug sowohl ihrer Mutter als auch mir entgegen, ließ uns beide rückwärts torkeln. Dann hob Tori beide Hände über den Kopf, und Funken begannen zu fliegen, wurden von dem Windstoß mitgerissen, der um uns herumwirbelte, eine Windhose aus Dreck und Sägemehl. Ich kniff die Augen zusammen und legte mir die Hände über Mund und Nase.
»Das nennst du mächtige Magie, Victoria?«, schrie Mrs. Enright über das Heulen des Windes hinweg. »Das ist höchstens ein kindischer Wutanfall. Du hast dich wirklich überhaupt nicht verändert, nur kannst du inzwischen Naturkräfte einsetzen, die das Heulen und Füßetrampeln für dich erledigen.«
»Glaubst du, das ist alles, was ich kann? Sieh dir einfach mal das hier an …«
Tori erstarrte unter einem Bindezauber. Der Wind legte sich. Staub und Funken schwebten auf den Fußboden hinunter.
»Ich seh’s mir an«, sagte Mrs. Enright, »und ich sehe nichts als ein verzogenes Balg mit einem schicken neuen Auto – prescht in der Gegend herum, verschwendet keinen Gedanken daran, ob jemand zu Schaden kommt. Egoistisch und rücksichtslos wie eh und je.«
In Toris Augen standen jetzt Tränen. Als ihre Mutter auf sie zuzugehen begann, wich ich zurück, auf den Haufen von Metallrohren zu.
»Wenn du jetzt mit deinem Wutanfall fertig bist, kann ich ja Lauren rufen, damit sie dich abholt. Und es dieses Mal hoffentlich schafft, dich im Auge zu behalten.«
Ich sah, dass Liz sich langsam Mrs. Enright näherte, den Blick auf einen weiteren Kistenstapel gerichtet. Ich schüttelte den Kopf. Der Winkel war ungeeignet, sie würde sie fallen sehen. Ich bückte mich und hob ein Rohr auf.
»Lauren Fellows ist nicht die Einzige, die für deine kleine Eskapade einen Verweis einstecken wird«, fuhr Mrs. Enright fort. »Du hast dir gerade eine Woche Hausarrest in deinem Zimmer eingefangen, allein, kein Unterricht, kein Besuch, kein MP 3-Player. Einfach nur eine Menge Zeit, um mal darüber nachzudenken …«
Ich schwang das Rohr hoch und ließ es mit einem hässlichen
Knack
-Geräusch auf ihren Hinterkopf niedersausen. Die Waffe flog mir aus der Hand. Toris Mutter taumelte, und ich glaubte zunächst, nicht hart genug zugeschlagen zu haben. Als ich versuchte, nach dem davonrollenden Metallrohr zu greifen, stolperte ich über meine eigenen Füße. Dann stürzte sie.
Tori durchbrach den Bann, stürzte zu ihrer Mutter hinüber und ging neben ihr auf die Knie. Ich tat das Gleiche und tastete nach ihrem Puls.
»Ich glaube, es geht ihr okay«, sagte ich.
Tori kniete einfach nur auf dem Boden und starrte auf ihre Mutter hinunter.
Ich berührte sie am Arm. »Wenn wir hier rauswollen, müssen wir …«
Sie schüttelte mich ab. Ich sprang auf, um ohne sie zu verschwinden. Dann sah ich, was sie tat – sie durchsuchte die Taschen ihrer Mutter.
»Nichts«, zischte sie durch zusammengebissene Zähne. »Nicht mal eine Kreditkarte.«
»Ich hab Geld. Komm schon.«
Noch ein letzter Blick auf ihre Mutter, und sie folgte mir.
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12
T ori und ich kauerten unter einer Plane, mit der ein Lastwagenanhänger abgedeckt war. Es war nur der Anhänger, es bestand also nicht die Gefahr, dass unsere Deckung einfach davonrollte. Ich war der Ansicht, dass diese Tatsache sie zu einem
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