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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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zuständig war. Wenn man den Träger dieses Gens und den rein menschlichen Partner testete, konnte man feststellen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass ein gemeinsames Kind nekromantisch begabt sein würde. Jenny war furchtbar aufgeregt. Ich habe die Gentests bei ihr und Deinem Dad durchgeführt, und es war fast sicher, dass das Kind von ihnen ein Nekromant sein würde. Ich habe sie gebeten, sich die bestehenden Möglichkeiten zu überlegen, vielleicht auch künstliche Befruchtung und einen anderen biologischen Vater zu erwägen. Aber sie war inzwischen so erschöpft und so deprimiert, dass sie sich für andere Möglichkeiten gar nicht mehr interessiert hat. Außerdem hat sie mich verdächtigt, einen Keil zwischen sie und Deinen Dad treiben zu wollen, weil ich seinerzeit kein Geheimnis daraus gemacht habe, dass ich ihn nicht für den Richtigen für sie gehalten habe. Wir haben danach fast ein Jahr lang nicht miteinander geredet. Dann habe ich sie angerufen, weil es fabelhafte Neuigkeiten gab – einen weiteren Durchbruch bei uns im Labor. Wir konnten ihr kein Kind garantieren, das nicht nekromantisch begabt sein würde, aber wir konnten die Gefahren eliminieren, die unseren Bruder das Leben gekostet hatten: Sie konnte ein Kind bekommen, das mit den Toten reden konnte, ohne ihnen ausgeliefert zu sein.
    Ich wusste, dass es ganz so nicht ausgegangen war. Tante Lauren schrieb weiter, dass sie, als ich so plötzlich angefangen hatte, Geister zu sehen, sich zunächst noch gesagt hätte, dass alles in Ordnung wäre. Dass ich nicht zu den Fehlschlägen gehörte, dass ich einfach nur etwas Zeit brauchte, um mich an meine neuen Kräfte zu gewöhnen. Die Edison Group hatte nichtsdestoweniger darauf bestanden, dass ich ein paar Wochen in Lyle House verbrachte. Sie hatte zugestimmt, immer noch in der Erwartung, sie würden feststellen, dass mit mir alles in Ordnung war. Und dann würde man mir die Wahrheit sagen können.
    Sie hatte es geglaubt, bis sie erfahren hatte, dass ich in Lyle House Zombies beschworen hatte. Aber auch dann hatte sie sich noch gesagt, dass das alles nicht so schlimm war – wir würden damit zurechtkommen. Die Gruppe hatte versprochen, was auch immer passieren sollte, ich würde nicht umgebracht werden. Eine Nekromantin stellte keine Gefahr dar, hatte man ihr erklärt, und insofern gab es auch keinen Grund, mich zu terminieren.
    Trotzdem hatte sie angefangen, sich Sorgen zu machen und nach Antworten zu suchen, so wie auch ich es getan hatte. Und sie hatte das Gleiche herausgefunden, was auch ich entdeckt hatte – dass sie logen. Offenbar hatten sie in vielen Dingen gelogen, schrieb sie, wenngleich sie nicht ins Detail ging.
    Das war es, was alles geändert hat, Chloe. Ich weiß, es ist fürchterlich, zugeben zu müssen, dass mir meine Fehler erst klargeworden sind, als das Leben meiner eigenen Nichte in Gefahr war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich getan, was ich für das Richtige gehalten hatte – für das allgemeine Wohl und so weiter. Aber dabei habe ich meinen Eid als Ärztin vergessen, nämlich als Allererstes niemandem zu schaden. Ich habe anderen geschadet, und ich bin mir sicher, dass ich dafür bezahlen werde, aber ich werde nicht zulassen, dass Du zusammen mit mir dafür bezahlst. Deshalb musste ich Dich dort herausholen.
    Drei weitere Abschnitte folgten. Im ersten schrieb sie, wenn ich diesen Brief läse, hätte sie es nicht geschafft, zusammen mit mir zu fliehen. Wenn ich sie zurückgelassen hatte, dann verstand sie das. Wenn sie umgekommen sein sollte, dann war das der Preis, den sie zu zahlen hatte. Und wenn sie von der Edison Group festgehalten werden sollte, dann sollte ich ihretwegen nicht zurückkommen. Ich sollte mich auf den Weg machen, um Simon und seinen Vater Kit zu finden. Sie hatte in den Akten der Edison Group recherchiert und war sich sicher, dass die Gruppe nichts mit seinem Verschwinden zu tun hatte, aber das war alles, was sie wusste.
    Sie teilte mir mit, ich sollte dafür sorgen, dass ich meinen Anhänger trug. Immer. Mir fiel dabei ein, wie schnell sie ihn mir wiederbeschafft hatte, als ich ohne ihn nach Lyle House gekommen war. Sie schrieb nicht viel über ihn, nur, dass er angeblich Geister abwehrte. Was er nicht tat. Oder tat er es vielleicht doch, und wenn ich ihn verlor, würde ich noch
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Geister sehen, weil meine Kräfte dann gar nicht mehr unter Verschluss gehalten wurden?
    Im nächsten Absatz ging es um meinen Dad. Er wusste nichts von all dem, wusste

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